Jedes Jahr im März feiern und trinken Hunderttausende von amerikanischen Jugendlichen bis zur Besinnungslosigkeit. Davon erzählt der Film „Spring Breakers“. In den USA hat er eine heftige Debatte ausgelöst: Verherrlicht er die hemmungslosen Saufgelage?

Miami/Florida - Das Phänomen Spring Break fasziniert den Filmemacher Harmony Korine schon seit Jahren, jene rituelle Migration Hunderttausender von amerikanischen Studenten an die Strände von Florida, wo sie die Frühjahrs-Semesterferien zu einer gigantischen kollektiven Orgie aus Alkohol, Drogen und beliebigem Sex nutzen. Wie extrem es dort zugeht, konnte Korine allerdings selbst nicht fassen, als er in Panama City, dem „Ground Zero“ des Spring Break, ankam. „Ich habe in mein Hotel eingecheckt, und am Pool lagen Dutzende von Jugendlichen, die offen Sex miteinander hatten. Alles war voll gekotzt, die Kids haben überall Sachen angezündet, und die ganze Zeit dröhnte Taylor Swift aus den Anlagen. Das war verrückt“, erzählt er.

 

In seinem Film „Spring Breakers“, der pünktlich zum Beginn der Unterrichtspause in den Colleges am vergangenen Wochenende in die US-Kinos kam, hat Korine seine Beobachtungen auf die Leinwand gebracht. Gleich zur Eröffnung sehen wir den Strand von St. Petersburg Anfang März, übersät mit jungen, fast nackten Körpern, die sich schwitzend zur brachialen Musik von Skrillex in der Sonne winden. Das Bier fließt in Strömen, wird per Trichter in die Kehlen 17-jähriger Mädchen gefüllt und über ihre Leiber gegossen, Kokain wird von entblößten Brüsten geschnupft, deren Besitzerinnen bewusstlos im Sand liegen. Alleine vom Zuschauen wird einem nach wenigen Minuten übel.

Schöne Körper, warme Bilder, cooler Soundtrack

Und dennoch ergießt sich über Korines Film ein Feuersturm der Entrüstung. Korine, so die Kritik, verherrliche das alljährliche Studentenbacchanal. Die schönen Körper, die Pastelltöne, in die die Szenen gegossen sind, der Soundtrack, der exakt die Zielgruppe der 17- bis 21-Jährigen anspricht – all das würde die Jugend noch mehr dazu animieren, sich für zwei Wochen im März dem Nihilismus hinzugeben.

Dementsprechend sind die Reaktionen auf den Film, der an seinem Eröffnungswochenende in New York und Los Angeles die Kassenrekorde brach. Der Fernsehsender ABC strahlt seit Tagen einen ausführlichen Beitrag über die Gefahren aus, die auf die Jugend in Florida lauern. Vor Alkoholexzessen wird gewarnt und an die zahlreichen Todesfälle durch Alkoholvergiftung und durch Alkohol am Steuer erinnert. Vor allem jedoch wird Mädchen eindringlich die enthemmende Wirkung von Drogen vor Augen geführt, die zu unerwünschten sexuellen Aktivitäten und zu frühen Schwangerschaften führen kann.

Schon vor Jahrzehnten gab es Filme über Spring Break

Diese puritanische Besorgnis ist freilich nicht neu. Schon 1959 fuhr das „Time Magazine“ im März nach Florida, um einen investigativen Bericht über das damals neue Phänomen Spring Break zu schreiben. „Beer and the Beach“ hieß der Text, in dem ein Student gestand: „Wir trinken hier den ganzen Tag.“ In den siebziger Jahren war Spring Break bereits zur Massenmigration gen Süden mutiert. Mehr als 300 000 Studenten fluteten etwa Fort Lauderdale und verwandelten den Ort in eine einzige Party. Schon damals waren die Sitten an den Frühlingsstränden in jeder Hinsicht entgleist. Dutzende von Dokumentarfilmen in den Siebzigern und Achtzigern zeigten junge Mädchen, die sich in Florida hemmungslos betrinken, tätowieren lassen und männlichen Kommilitonen – oder schlimmer: örtlichen Taugenichtsen – hingeben.

Natürlich hatten alle diese Filme neben dem aufklärerischen Anspruch auch einen deutlich voyeuristischen Unterton. Streifen wie „Spring Break Uncensored“ waren nichts anderes als der amerikanische „Schulmädchenreport“. Zu den „Girls gone wild“-Videos der Neunziger, die den aufklärerischen Anspruch komplett wegfallen ließen, war es nur noch ein kleiner Schritt.

Der Film ist eher ein Horrorfilm als eine Komödie

Der Vorwurf an „Spring Breakers“, kaum mehr als eine 90-Minuten-Version von „Girls gone wild“ zu sein, wird allerdings Korine nicht gerecht. Der interessiert sich nämlich vielmehr dafür, was das Spring-Break-Phänomen über den Zustand der amerikanischen Gesellschaft aussagt. Das Ergebnis ist, wie Manohla Dargis in der „New York Times“ schreibt, „eher ein Horrorfilm als eine Komödie“.

Korines Realismus kann ihm zwar, wenn man Böses will, als Voyeurismus ausgelegt werden, er dient aber unmissverständlich vor allem dazu, sein kulturkritisches Argument zu unterstreichen. In Korines Film ist Spring Break keine Verirrung. Es ist vielmehr die Verwirklichung des amerikanischen Traums oder wenigstens dessen, was daraus geworden ist: ein Dauerzustand der hedonistischen Bedröhnung. St. Petersburg ist für die vier Hauptfiguren – weiße Teenagerinnen aus eigentlich gutem Haus – das Paradies, für den Zuschauer wird es im Verlauf des Films zum Albtraum. Zu jenem Albtraum, zu dem das Versprechen der permanenten, sofortigen Befriedigung aller Gelüste wird, jenem diabolischen Versprechen des Konsumkapitalismus, wenn es denn eingelöst wird.

Der Film startet am 21. März in den deutschen Kinos. Es spielen: Selena Gomez, Vanessa Hudgens und James Franco.