Konzert des SWR Vocalensemble Schönheit der menschlichen Stimmen
Das SWR-Vokalensemble bringt in der Stuttgarter Johanneskirche Motetten von Bach mit zeitgenössischer Passionsmusik von James MacMillan zusammen.
Das SWR-Vokalensemble bringt in der Stuttgarter Johanneskirche Motetten von Bach mit zeitgenössischer Passionsmusik von James MacMillan zusammen.
Raunen, Wispern, Flüstern. Männer sind im Saal: Schriftgelehrte und Pharisäer. Der schottische Komponist James MacMillan (65) führt die Zuhörenden in seinen Karfreitagsresponsorien mitten hinein ins Passionsgeschehen. Jesus, gleich zu Beginn mehrfach beschworen von glockenhellen Sopranstimmen, wird zu Kaiphas geführt, und als im Text von Petrus die Rede ist, der von ferne folgt, „um den Ausgang zu sehen“, ist die Musik dazu ein schriller harmonischer Aufschrei. Wie wenn dies noch nicht aufwühlend genug wäre, verlässt danach eine Sopranistin einsam singend Schritt für Schritt das Kollektiv, bis ihre Stimme von ferne verklingt.
Das ist fast schon Bibeltheater, und tatsächlich ist der Auftritt des SWR-Vokalensembles am Samstagabend in der Stuttgarter Johanneskirche reich an Spannung und Kontrasten. Dafür sorgt auch die Gegenüberstellung mit Bach. Auf MacMillans drittes Stück folgt ausgerechnet das „Fürchte dich nicht“, eine Motette voll des Trostes, die am Ende drei schier endlos ineinander verschraubte Themen in dem Satz „Fürchte dich nicht, denn du bist mein“ zusammenbringt.
Das Konzert spannt sich zwischen den Polen auf, lässt zwischendurch noch Raum für Instrumentales, darunter eine ebenfalls (raffiniert!) Neues mit Altem verbindende neue Komposition des Lautenisten Andreas Arend. Und so zwingend wie die programmatischen Linien sind auch jene, die Benjamin Goodson zeichnet. Der Dirigent nimmt Bach luftig, leicht, manchmal sehr sportlich; er will zuallererst die Musik im Fluss halten. Das hat immer einen Zug nach vorne – und manchmal fast ein bisschen Swing.
Das SWR-Vokalensemble ist in Topform. Tolle Verschmelzung, tolle Balance. Nur ganz gelegentlich werden, vor allem im „Komm, Jesu, komm“, kleine Differenzen zwischen älteren und jüngeren Stimmen hörbar, und die Textverständlichkeit im zweiten Sopran ist manchmal besser als im ersten.
Aber was für blitzsaubere Einsätze und Parallelführungen hören wir bei James MacMillan! Dessen „Miserere“ ist ein Fest für die Schönheit der menschlichen Stimme (und für die Freuden der Tonalität).
Auch MacMillans Musik ist trotz aller Textnähe und Expressivität, trotz aller Lust am Ornamentalen (und manchmal auch zu den Bordunbässen des Dudelsacks) immer von der Gesangslinie aus konzipiert. Und sie hat etwas Rattenfängerisches. Das Publikum jedenfalls ist so still und gespannt, wie man es selten erlebt – und findet beim Jubeln danach schier kein Ende.