Peter Gabriel ist in der Frankfurter Festhalle aufgetreten. Jeder Song hat sich dabei in ein eigenwillig-eigenständiges audiovisuelles Kunstwerk verwandelt.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Wenn man als jemand, der schon seit langer Zeit die Karriere Peter Gabriels verfolgt, ehrlich ist, dann hätte man sich am Dienstagabend beim Konzert in der Frankfurter Festhalle eine etwas andere Setlist gewünscht. „Games without Frontiers“ oder „Mother of Violence“ hätten da draufgestanden und (man wird ja mal träumen dürfen) auch das eine oder andere Genesis-Stück – vielleicht „I Know What I Like“ oder „The Lamb Lies down on Broadway“.

 

Peter Gabriel singt auf Deutsch

Stattdessen spielt Gabriel in seiner ausverkauften Show neben Songs vom Hit-Album „So“ aus dem Jahr 1986 vor allem Lieder von seinem neuen Album „i/o“, das noch gar nicht erschienen ist. Ein grandioser Abend wird es trotzdem. Jedoch mit Anlaufschwierigkeiten. Erst verpatzen technische Probleme die Eröffnung mit der intimen Weltuntergangsballade „Here Comes the Flood“, die Gabriel nicht nur auf Deutsch singt („Hier kommt die Flut“), sondern mit der er auch dezent klarmacht, dass er schon 1977 den Klimawandel vorhersah. Auch bei „Growing up“ und „Panopticom“ holpert es noch ziemlich auf der Bühne. Doch Gabriel und seine Band steigern sich mehr und mehr, und spätestens, als die erste Hälfte des Konzerts mit einer furiosen „Sledgehammer“-Version zu Ende geht, ist das Stolpern vom Anfang längst vergessen.

Finale mit „Big Time“, Solsbury Hill“ und „In Your Eyes“

Dass Bruce Springsteen, der vor wenigen Tagen bei Peter Gabriels Konzert in Köln im Publikum saß, nach diesem Song gegangen ist, kann nur daran liegen, dass ihn eingeschüchtert hat, dass Gabriels Band im Zusammenspiel mindestens so präsent und präzise ist wie seine E Street Band. Springsteen hat jedenfalls einen immer besser werdenden zweiten Konzertteil und ein sensationelles Finale mit Songs wie „Big Time“, „Solsbury Hill“ oder „In Your Eyes“ verpasst. Und wie seit vielen Jahrzehnten ist als letzte Zugabe die ergreifende Protesthymne „Biko“ zu hören, mit der Gabriel 1980 dem südafrikanischen Bürgerrechtler Steve Biko und allen Menschen, die im Kampf gegen Ungerechtigkeit ihr Leben riskieren, ein Denkmal gesetzt hat.

Gabriels Duettpartnerin bei „Don’t Give up“ wird gefeiert

Egal, ob sich Gabriels Band Weltmusik aneignet, mit Discobeats oder Funkgrooves spielt, sich zwischen Kammerpop und Folk austobt, stets macht die Band einen fantastischen Job. Viele der Musiker auf der Bühne sind mit dem 73-jährigen Gabriel gealtert – etwa der Bassist Tony Levin, der Gitarrist David Rhodes oder der Schlagzeuger Manu Katché. Heimlicher Star des Abends ist aber eine Neue: die Cellistin Ayanna Witter-Johnson, die in der rührenden Durchhalteballade „Don’t Give up“, den Part übernimmt, den im Original Kate Bush gesungen hat – und viel Szenenapplaus erhält.

Videoinstallation von Ai Weiwei

Aber die Show überzeugt nicht nur musikalisch, sondern auch visuell. Ein großer Kreis über der Bühne ist mal Sonne, mal Mond, mal Erde, mal Bratpfanne, mal Waschmaschine, und jeder Song ist als eigenständiges Kunstwerk inszeniert. Der clevere Dancetrack „Road to Joy“ etwa, eines der neuen Lieder, wird mit einer kolossalen Stinkefinger-Videoinstallation von Ai Weiwei illustriert.

Noch schöner wäre nur noch gewesen mitzuerleben, was Peter Gabriel live aus Nummern wie „Games without Frontiers“ oder „I Know What I Like“ gemacht hätte. Vielleicht ja beim nächsten Mal.

Peter Gabriel in Frankfurt: Setlist

Konzertprogramm
Diese Lieder hat Peter Gabriel beim Auftritt in der Frankfurter Festhalle gespielt:

Teil 1
1. Hier kommt die Flut / 2. Growing up / 3. Panopticom / 4. Four Kinds of Horses / 5. i/o / 6. Digging in the Dirt / 7. Playing for Time / 8. Olive Tree / 9. This Is Home / 10. Sledgehammer

Teil 2
11. Darkness / 12. Love Can Heal / 13. Road to Joy / 14. Don’t Give up / 15. The Court / 16. Red Rain / 17. And Still / 18. Big Time / 19. Live and Let Live / 20. Solsbury Hill

Zugaben
21. In Your Eyes / 22. Biko