Eine chinesische Immobilienfirma baut das Alpenstädtchen Hallstatt detailgetreu nach – und verblüfft die Österreicher.

Boluo - Im Salzkammergut, da ka mer gut lustig sein", besingt ein alter Schlager die österreichische Ferienregion. Der Text könnte bald als Werbespruch für ein chinesisches Immobilienprojekt dienen. In Südchina entsteht derzeit ein Nachbau des 800-Einwohner-Ortes Hallstatt, der zum Unesco-Weltkulturerbe gehört und in Kopie nun als Wohnanlage für reiche Chinesen dienen soll.

 

"Wukuang Hashitate" heißt das Bauprojekt in Boluo, für das im April der Grundstein gelegt wurde. Hashitate ist der chinesische Name von Hallstatt, Wukuang die Abkürzung des Minenkonzerns China Minmetals Corp., einem Staatsbetrieb mit mehr als 50.000 Angestellten und einem Jahresumsatz von rund 20 Milliarden Euro, der wie die meisten chinesischen Unternehmen auch auf dem lukrativen Immobilienmarkt mitmischt. "Nach einer langjährigen, weltweiten Suche haben wir uns für den österreichischen Baustil entschieden", sagte Yin Liang, der Vizechef von Wukuangs Immobilienarm, einem chinesischen Internetforum. "Unser Unternehmen hat bereits Bauprojekte im deutschen, spanischen, britischen und italienischen Stil, aber dieses ist unser erstes österreichisches." Angeboten werden sollen frei stehende Villen, Doppelhaushälften und Wohnungen in mehrgeschossigen Gebäuden, auch Kaufhäuser und ein Hotel werden errichtet. Der Bau werde sechs Jahre dauern und rund sechs Milliarden Yuan (645 Millionen Euro) kosten, sagte Yin. Die Baufläche beträgt rund einen Quadratkilometer, wovon rund ein Fünftel von einem See eingenommen wird.

In Hallstatt heißt es, die Chinesen hätten den Alpenort von den Fensterläden bis zur Pfarrkirche Maria Himmelfahrt detailgetreu aufs Reißbrett gebracht. Doch allzu authentisch kann die Kopie gar nicht werden - nicht nur, weil es in Boluo keine hohen Berge gibt, sondern auch, weil das Unternehmen weitaus mehr Menschen ansiedeln will als in Hallstatt leben. "Es ist ein sehr großes Projekt, aber so schön wie in Österreich kann Hallstatt bei uns sicher nicht werden", sagte eine Angestellte von Boluos Planungsbüro der StZ.

Westliche Städte gelten als lebenswerter und individueller

Zumindest was eine kaufkräftige Kundschaft angeht, ist der Ort aber sicher gut gewählt. Errichtet wird das chinesische Hallstatt im Kreis Boluo, einem Teil der Vier-Millionen-Einwohner-Stadt Huizhou im Perlflussdelta, Chinas produktivster Industrieregion. Bekannt ist Huizhou besonders für seine großen Raffinerien und als Stammsitz des Elektrogeräteherstellers TCL, der vor einigen Jahren die beiden französischen Konkurrenten Thomson und Alcatel schluckte.

In Hallstatt hat man eher zufällig von dem Projekt erfahren und weiß nicht so recht, ob man stolz oder ärgerlich sein soll. Die Chinesen haben inzwischen eine Städtepartnerschaft angeboten - aber eine Städtepartnerschaft zwischen einer Weltkulturerbe-Ortschaft und einer chinesischen Luxuswohnsiedlung? Eine Kooperation und Bilder mit österreichischen Gästen würden den Chinesen sicherlich helfen, chinesischen Käufern gegenüber die Authentizität ihrer Stadt zu unterstreichen und damit die Preise in die Höhe zu treiben.

Das Unternehmen selbst stand für Auskünfte nicht zur Verfügung. Dabei setzt es zweifellos auf einen erfolgreichen Trend, denn Hashitate ist nicht die erste Kopie eines prominenten europäischen Vorbilds. Der Zweck der ausländischen Anleihen ist stets der Gleiche: westliche Städte genießen das Image, lebenswerter und individueller zu sein als die anonyme Einheitsarchitektur, die heute Chinas Großstädte prägt.

Schlösser, Denkmäler, Brunnen - Alles abgeguckt

Siedlungen: „Hashitate“, das chinesische Hallstatt, hat prominente Vorgänger. Schon vor zehn Jahren ließ ein Immobilienunternehmer am Pekinger Stadtrand das bei Paris gelegene Château de Maisons-Laffitte nachbauen. Das Schloss, das heute als Hotel dient, ist das Herzstück einer großen Villensiedlung, deren Stil an französische Landhäuser erinnert. In Shanghai errichtete der Frankfurter Architekt Albert Speer die sogenannte German Town Anting, eine deutsche Kleinstadt im Bauhaus-Stil inklusive einem Brunnen mit Statuen von Schiller und Goethe. Wenige Kilometer entfernt steht „Thames Town“, eine englische Stadtkopie mit roten Telefonhäuschen, einer Kathedrale, einer Churchill- Statue und mehreren Pubs.

Themenparks: Wohlhabende Chinesen geben gerne Geld für ein Haus aus, das auch als Statussymbol dienen kann. Wer sich derart ausgefallene Immobilien nicht leisten kann, hat in jeder größeren chinesischen Stadt die Möglichkeit, in Themenparks zwischen Nachbauten der berühmtesten Gebäude der Welt zu spazieren, von Schloss Neuschwanstein über den Eiffelturm bis zum Weißen Haus. In Shenzhen eröffnete ein Vergnügungspark 2007 sogar eine Kopie des Schweizer Städtchens Interlaken, durch deren Straßen mehrmals am Tag ein Fastnachtsumzug rollt – eine Attraktion, die das Original seinen Besuchern nicht zu bieten hat.