Per Pressemitteilung kommt eine Einladung zum Dialog mit ehemaligen Heimkindern, die Missbrauch anklagen. Diese stellen nun weitere Bedingungen – sie sind verärgert, wie bislang in der Sache verfahren und kommuniziert worden ist. Jedes Wort wird mittlerweile – von beiden Seiten – auf die Goldwaage gelegt.

Korntal-Münchingen - Die Fronten zwischen der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal und den ehemaligen Heimkindern verhärten zunehmend. In einer Pressemitteilung hat die diakonische Einrichtung, die sich mit schweren Vorwürfen unter anderem des sexuellen Missbrauchs konfrontiert sieht, nun offiziell die Vertreter der Heimkinder zu einem Gespräch eingeladen. Doch die Betroffenen sehen in dem Angebot lediglich eine weitere Provokation. Jedes Wort wird inzwischen von beiden Seiten auf die Goldwaage gelegt, die Emotionen kochen schnell hoch. Verärgert sind die Betroffenen etwa darüber, an wen sich die Brüdergemeinde richtet: In der Mitteilung wird der Musikschulleiter Peter Meincke als Vertreter der Heimkinder genannt. Denn dieser habe die Opferhilfe – ein Zusammenschluss von Bürgern vor allem aus Korntal – gegründet, zudem werde er immer wieder in der Presse zitiert.

 

Doch Meincke weist diese Rolle von sich. „Es ist ein bisschen schräg, dass die Brüdergemeinde bestimmt, wer der Ansprechpartner ist.“ Er sieht seine Aufgabe eher darin, den Heimkindern Öffentlichkeit zu verschaffen, etwa über die Internetseite der Opferhilfe Korntal.

„Unser Ansprechpartner wird unser Rechtsanwalt sein“, benennt Detlev Zander, der die Brüdergemeinde verklagen will, den Wunsch der ehemaligen Heimkinder. Ein Strafrechtler hat den Betroffenen vorige Woche seine Unterstützung angeboten. Er soll dabei sein, wenn es – an einem neutralen Ort – zum Gespräch zwischen den Betroffenen und der Brüdergemeinde kommt. Moderieren könnte das Ganze ein Mediator. Zumindest da sind sich beide Seiten einig. Das Gespräch könnte der Startschuss sein für eine Kommission zur Aufarbeitung der Heimgeschichte – die nicht mit Brüdergemeinde-Mitgliedern besetzt sein soll, fordern die früheren Heimkinder.

Zander kritisiert auch den in der Mitteilung geforderten „Zugang zu den Informationen“. Er habe der Brüdergemeinde schon vor einiger Zeit weitere Namen potenzieller Täter genannt. Verärgert stellt er nun weitere Forderungen. „Wir sind bereit zum Gespräch, wenn die Brüdergemeinde auf die Einrede der Verjährung verzichtet.“

In ihrer Antwort von Ende Oktober auf einen offenen Brief von etwa 20 ehemaligen Heimkindern hatte die Brüdergemeinde diese Forderung erneut zurückgewiesen. Nicht mehr auf die (zivilrechtliche) Verjährung zu pochen würde bedeuten, Zanders Klage Erfolgsaussichten einzuräumen. Das sei eine Grundsatzfrage, hatte Klaus Andersen, der weltliche Vorsteher der Brüdergemeinde, bereits im Sommer dazu gesagt. Für ihn stehe aktuell ein Gespräch im Vordergrund. Man müsse dabei auch nicht unbedingt an Meincke festhalten. Er bedauert, dass ein Dialog bisher nicht zustande gekommen sei. Die laufende juristische Auseinandersetzung hemme den persönlichen Kontakt. Die angekündigte Einladung zum Gespräch sei „eine gewisse Weiterentwicklung“ in der Sache.

Ob das zu spät kommt? „Ich wäre froh, wenn wir vieles vor einem Vierteljahr erledigt hätten. Wir hatten aber eine solche Situation noch nicht. Hätte, wäre, wenn hilft uns da jetzt nicht weiter“, sagt er. Von dem Gespräch erhoffe man sich auch Informationen für eine „glaubhafte Aufarbeitung“ der Heimgeschichte, für die nach wie vor ein Experte als Leiter gesucht wird.

Die Diakonie hat für Dezember ehemalige Mitarbeiter der Heime eingeladen, ein Drittel der Angeschriebenen habe bereits reagiert. Bei dem Treffen wäre auch Zander gerne dabei, alternativ nur der neue Anwalt. Er befürchtet, dass die Mitarbeiter ansonsten eingeschüchtert werden könnten. Das Misstrauen ist groß, die Lage scheint immer verfahrener zu werden, aber noch nicht völlig: „Ich sehe schon noch eine Chance für ein Gespräch“, sagt Zander.