Die Auseinandersetzung zwischen der IG Heimopfer und der Opferhilfe, die sich beide eigentlich für das gleiche Ziel einsetzen, lähmt die sachliche Aufarbeitung der Historie im ehemaligen Kinderheim Hoffmannhaus. Dort hat es bis weit in die 70er Jahre schwere Misshandlungen der einstigen Zöglinge gegeben.

Korntal-Münchingen - Was vor dem Evangelischen Kirchentag begonnen hat und mit der Organisation zweier verschiedener Treffen von Betroffenen seine Fortsetzung fand, zieht nun weitere Kreise: Inzwischen attackieren sich die Vertreter der Heimopfer und der Opferhilfe mit E-Mails sowie in den sozialen Medien scharf. „Der Hauptschuldige ist Detlev Zander“, ist Ulrich Scheuffele von der Opferhilfe überzeugt. Der ehemalige Zivildienstleistende im Korntaler Kinderheim Hoffmannhaus spricht von einer „blöden Situation, die sich so ergeben hat“. Aufarbeitung müsse sein. „Aber sie darf nicht an den Namen Detlev Zander und Martina Poferl hängen, wenn auch andere Namen geeignet sind.“

 

Paritätisch besetzte Steuerungsgruppe

Sowohl Zander, der die Missbrauchsfälle in dem Korntaler Kinderheim öffentlich gemacht hatte, als auch Martina Poferl gehören der Steuerungsgruppe an. Diese – paritätisch mit Vertretern der Diakonie der Brüdergemeinde und der Betroffenen besetzte Gruppe – koordiniert seit Januar mit der bundesweit vernetzten Landshuter Erziehungswissenschaftlerin Mechthild Wolff den Aufarbeitungsprozess. Am Freitag trifft sich die Steuerungsgruppe erneut, sie arbeitet zurzeit daran, eine Hotline einzurichten, an die sich weitere Betroffene wenden können.

Detlev Zander wiederum wird nicht müde zu betonen, dass sich die Interessengruppe der Heimopfer von der Opferhilfe distanziert habe. „Die Interessengemeinschaft ist erwachsen geworden. Wie haben viel gelernt in dem Jahr, und wir sind der Opferhilfe dankbar für den Start. Doch wir sind eigenständig geworden und lassen uns weder von der Opferhilfe noch von der Brüdergemeinde bevormunden.“

Vorwurf des „Schmusekurses“

Der Opferhilfe-Vertreter Scheuffele hatte der Interessengruppe Heimopfer beispielsweise vorgeworfen, sie fahre einen „Schmusekurs“ mit der Brüdergemeinde, eben weil sie mit dieser in der Steuerungsgruppe kooperiere. Doch Beispiele, dass wenigstens einige ehemalige Heimkinder längst eigenständig sind und sich der Opferrolle entledigt haben, gibt es genug. Beim Kirchentag schilderten sie freimütig ihre Erlebnisse; Martina Poferl erklärte sich zudem bereit, ihre Geschichte im Rahmen der aktuellen Wanderausstellung zur Heimerziehung in Baden-Württemberg zu erzählen.

Dabei hatte die Wissenschaftlerin Mechthild Wolff von Beginn an für Gespräche untereinander geworben: „Aufarbeitung ist Dialog“, sagt sie eins ums andere Mal. Als Koordinatorin des Prozesses ist sie auch jetzt darum bemüht, die Beteiligten wieder an einen Tisch zu bringen. „Wenn beide Seiten es wünschen und wollen, könnte aus meiner Sicht eine letzte Chance in einer Schlichtung mit einer unabhängigen Person bestehen. Ich werde das nicht sein“, stellt sie jedoch klar.

Die Situation scheint festgefahren

So festgefahren die Situation in Korntal scheint, ist Vergleichbares offenbar nicht ungewöhnlich. „In allen Aufarbeitungsprozessen, die ich kenne, gab es Fraktionierungen unter den Betroffenen“, sagt Wolff. In Korntal komme aber erschwerend hinzu, dass es Unterstützer gebe, die zur Spaltung der Betroffenen beitrügen. „Das ist aus meiner Sicht eine falsch verstandene Hilfe.“ Ob es tatsächlich zu einer Vermittlung zwischen den beiden Gruppierungen kommt, ist offen. Während Ulrich Scheuffele erklärt, sich das grundsätzlich vorstellen zu können, bleibt Zander auf Distanz. „Wo bietet die Opferhilfe ihre Hilfe an?“ fragt er. Immer wieder auf den Beginn des Prozesses zurückzukommen, helfe doch nicht weiter. Tatsächlich hatte es unter anderem Diskussionen darüber gegeben, ob die Unabhängigkeit des Prozesses gewährleistet sei, wenn die Brüdergemeinde für das Honorar der Wissenschaftlerin Wolff aufkomme – was inzwischen jedoch allein die Opferhilfe noch bezweifelt.