Richard Pound, Ex-Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees, kritisiert IOC und Fifa wegen ihres Umgangs mit Korruption.

Stuttgart - Korruption ist im Sport endemisch geworden und gefährdet auf das Schwerste die Integrität des olympischen Sports." Mit diesen für hochrangige Sportfunktionäre ungewöhnlich klaren und scharfen Worten analysiert Richard Pound, der langjährige Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) die Lage. Weil Korruption in seinen vielfältigen Schattierungen überhandnimmt und die Verbände die Augen verschließen, müsse der olympische Sport um seine Existenz kämpfen, erklärt der Kanadier im Gespräch mit der StZ. "Wenn wir den Weg des professionellen Wrestlings beschreiten und uns irgendwo zwischen Zirkus und Farce positionieren wollen, müssen wir nur so weitermachen wie bisher." Dann sei der Sport am Ende.

 

Im Mittelpunkt seiner Kritik stehen die mächtigsten und reichsten Sportinstitutionen: das IOC, dem Pound seit 1978 selbst angehört, und der Fußball-Weltverband Fifa. Korruption sei "die größte Gefahr des organisierten Sports" und viel größer als das "begrenzte Problem" des Dopings, das der Funktionär als eine Sonderform der Korruption bezeichnet. "Die überwältigende Mehrheit" der 35 olympischen Weltsportverbände habe keine Maßnahmen zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung entwickelt. Die meisten Verbände und Funktionäre seien sich des existenziellen Problems nicht bewusst. Pound war zwischen 1999 und 2007 Gründungspräsident der Weltantidopingagentur (Wada). 1999 hat er als Chef der hausinternen Prüfungskommission zum Bestechungsskandal der Olympiastadt Salt Lake City das IOC vor dem Untergang bewahrt.

Die Verantwortung wird abgeschoben

Dem Komitee wirft Pound vor, das Korruptionsproblem zu vernachlässigen, die Fachverbände nicht genügend unter Druck zu setzen, sich auf das falsche Feld zu konzentrieren und durch eine unklare Begriffsbestimmung das Thema zu verwässern: Korruption werde im IOC, von Präsident Jacques Rogge und seinen Exekutivmitgliedern, neuerdings mit dem illegalen Wettgeschäft gleichgesetzt. Das Grundsatzproblem aber sei Korruption in den eigenen Reihen, auf allen Ebenen, national, international, unter Funktionären, Kampfrichtern, Sportlern, Vermarktern. "Sportverbände neigen dazu, die Verantwortung auf Regierungen abzuschieben, und übernehmen nicht einmal die Verantwortung für ihren eigenen Bereich", sagt Pound.

Der sogenannte Wettgipfel, den das IOC Anfang des Jahres in Lausanne mit handverlesenen Teilnehmern abgehalten hat, und auf dem das Thema Korruption unter Funktionären und Sportlern nicht angesprochen werden durfte, sei ein Reinfall gewesen. "Am meisten hat mich enttäuscht, dass viele Funktionäre nur daran dachten, wie sie nun auch die Wettanbieter schröpfen und einen Anteil an deren Umsätzen erhalten können."