Vier Freiburger Polizeibeamte stehen unter dem Verdacht korrupt zu sein. Sie sollen Dienstgeheimnisse an Kriminelle gegen Geld und Vergünstigungen verraten haben und gewerbsmäßig als Hehler tätig gewesen sein.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Eine eigentlich für die Polizei unvorstellbare Situation: ein Kollege aus den eigenen Reihen steht unter dem Verdacht, Geheimnisse an Kriminelle verraten, dafür Geld genommen zu haben und gewerbsmäßig als Hehler tätig gewesen zu sein. Genau das wird einem 52 Jahre alten Kriminaloberkommissar in Freiburg tatsächlich vorgeworfen.

 

Seit Ende Mai ist der erfahrene Beamte des gehobenen Dienstes in der Polizeidirektion Freiburg vom Dienst suspendiert, das Dezernat der Landespolizeidirektion „Sonderdelikte/Organisierte Kriminalität“ ermittelt zusammen mit dem Landeskriminalamt, die Staatsanwaltschaft Freiburg ist ebenfalls eingeschaltet.

„Verheerend. Ein Tiefschlag für die Polizei“ – Heiner Amann, der Leiter der Freiburger Polizeidirektion muss kurz vor seiner Pensionierung noch einmal einen Schlag ins Kontor hinnehmen. „Das trifft den Kern unserer Berufsauffassung“, sagt der Polizeichef, „es erschüttert das Vertrauen zwischen Polizei und Bevölkerung.“ Wenn sich der Bürger nicht mehr der Integrität der Polizei sicher sein kann, was dann? Schon seit längerer Zeit habe es Hinweise gegeben, dass polizeiinterne Informationen über laufende verdeckte Ermittlungen an Beschuldigte oder Dritte verraten wurden, berichtet der Freiburger Oberstaatsanwalt Wolfgang Maier. Doch es habe lange gedauert, bis man die undichte Stelle gefunden habe.

Das Ansehen der Polizei steht auf dem Spiel

„Eine lückenlose Kontrolle ist einfach nicht möglich“, sagt Polizeichef Amann, „die täglich, ja stündlich wechselnden dienstlichen Abläufe können nur auf der Grundlage von Vertrauen ablaufen.“ Und nun zeigte sich, dass ein Kollege, dem man vertraut hat, der beliebt und geschätzt war, Geld und Vergünstigungen gegen Informationen angenommen hatte. Informationen, die Verbrecher genutzt haben, um häufig und umfangreiche Straftaten zu begehen, gewerbsmäßige Hehlerei etwa. Was es genau war, wollen weder die Ermittler noch die Staatsanwaltschaft, noch die Polizeidirektion sagen. Es sei ein laufendes Verfahren und es stehe viel auf dem Spiel: das Ansehen der Polizei, aber auch der Beamtenstatus des Verdächtigen, der nicht nur strafrechtlich, sondern auch disziplinarrechtlich belangt werden kann. Ein Ende der heiklen Ermittlungen ist derzeit nicht absehbar.

Verheerend ist der Fall auch deshalb, weil er nicht der einzige in der Polizeidirektion Freiburg ist. Schon Anfang Mai wurde ein Polizeihauptmeister des Reviers Breisach am Rhein vom Dienst suspendiert. Ebenfalls 52 Jahre alt, ebenfalls wegen Geheimnisverrats. Er soll mit einem Geschäftsmann, der Spielhallen betreibt, gekungelt haben. Und im August vor einem Jahr waren zwei Kripobeamte suspendiert worden. Beide stehen unter dem Verdacht der Bestechlichkeit. Sie sollen für Geld jahrelang Polizeiinterna an Kfz-Händler weitergegeben haben, die sich an Autoschiebereien beteiligten. Einer davon war der 49 Jahre alte Leiter der Kripoaußenstelle Müllheim, etwas mehr als ein Jahr zuvor war er dort von Polizeichef Heiner Amann im großen Kreis von Prominenten aus der Region als kompetenter Mann ins Amt eingeführt worden.

Geldgier, eine Mischung aus Dummheit und Geltungssucht

Das tut weh, man schaut eben niemandem in die Seele. Warum aber erliegen gut verdienende Männer in einem normalerweise unkündbaren Job überhaupt den Versuchungen, durch kriminelle Machenschaften noch ein Zubrot abgreifen zu wollen? „Geldgier. Eine Mischung aus Dummheit und Geltungssucht“, sagt der Polizeichef. Amann siedelt die Motive in den menschlichen Abgründen an. Wo Geld ist, ist Versuchung. Wo viel Geld ist, ist viel Versuchung und noch mehr Versuchung ist, wo das Rotlicht leuchtet.

Um richtige materielle Not kann es ja auch nicht gehen, ein gestandener Kriminalbeamter bringt mit entsprechender Dienstzeit und Zuschlägen etwa 4500 Euro nach Hause. Aber genug ist eben nicht immer genug, ein Polizist ist nicht per se ein Engel. „Wir sind Teil der Gesellschaft“, betont Amann und räumt ein, dass es unmöglich ist, solche Fehltritte generell auszuschließen. Bei etwa 1000 Beamten seiner Polizeidirektion sind vier Fälle zwar vier zu viel, aber eben auch nur vier Promille.

Selbst eine Flasche Wein ist als Geschenk tabu

„Wir können nicht alle unter Generalverdacht stellen“, warnt der Polizeichef vor überzogenem Misstrauen. Sensibilität müsse man freilich immer wieder neu entwickeln, bei der Personalauswahl aufpassen und in Schulungen, Seminaren, überall dort, wo es angebracht ist, auf das Berufsethos hinweisen: Polizisten müssen vertrauenswürdig, unbestechlich und ehrlich sein. Dazu gehört, dass selbst kleine Geschenke tabu sind. Polizisten dürfen nicht einmal eine Flasche Wein zu Weihnachten annehmen. Noch nicht einmal seine Abschiedsfeier dürfe er sich bezahlen lassen, seufzt der Polizeichef und lacht. Auch nicht vom Dienstherrn. Aber machen wird er im Herbst dann doch eine.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Textes hatten wir das Gehalt eines langjährigen Beamten bei der Polizei zu hoch angesetzt. Nicht 8000, sondern lediglich 4548 Euro bekommt ein langjähriger Beamter des gehobenen Dienstes (verheiratet, zwei Kinder, mit Strukturzulage) im Monat, wenn er in der Besoldungsgruppe A 12 in der höchsten Stufe rangiert.