Keine Geburten mehr in Leonberg? Um das Krankenhaus zu sichern, hält ein Kreisrat die Auslagerung der Gynäkologie aus Leonberg für nötig. Die Finanzprobleme seien nicht hausgemacht.

Zweifel an der Rechnung, der Klinikverbund Südwest würde bei einer Schließung der Gynäkologischen Klinik im Krankenhaus Leonberg rund 2,5 Millionen Euro verlieren, meldet der SPD-Kreisrat Günther Wöhler an. „Es wird sich wohl kaum bestreiten lassen, dass die Bündelung der Ressourcen durch Zusammenlegen von Fachbereichen erhebliche Vorhaltekosten bei Infrastruktur, technischer Ausstattung und Personal einspart“, erklärt der Mediziner aus Leonberg.

 

Die Gynäkologie produziere laut Klinikverbund im laufenden Jahr Jahr ein Defizit von 1,86 Millionen. Für 2023 wird ein Loch von 2,12 Millionen Euro erwartet. Das gesamte Betriebsdefizit des Klinikverbundes steige in diesem Jahr „trotz einschneidender Sparmaßnahmen“ auf 60 Millionen Euro.

Die Kritik, dass der Landkreis die ausufernden Kosten für den Neubau einer Großklinik am Böblinger Flugfeld (mittlerweile 750 Millionen Euro) weiterhin übernimmt, „ist ohne eine denkbare Alternative nicht nachvollziehbar“, meint der Sozialdemokrat. „Keine Fehler in Planung oder Ausführung“ hätten diese Kostenexplosion verursacht. Vielmehr hätten steigende Material- und Energiekosten durch den Ukraine-Krieg und „schwierige Preisverhandlungen aufgrund des jetzt zu Ende gehenden Baubooms“ die Kosten nach oben getrieben. Außerdem sei der Rohbau inzwischen abgeschlossen, 75 Prozent der Bauleistungen seien erbracht oder vergeben. „Im Übrigen wird die Klinik dringend gebraucht. Da einen Baustopp zu beschließen, wäre absurd. Die Entscheidung für den Bau der Flugfeldklinik hatte mehrere gute Gründe: Das Sindelfinger Haus hat altersbedingt einen enormen Sanierungsbedarf“, erklärt Wöhler. Außerdem wäre es „völlig unwirtschaftlich“ zwei Häuser im Abstand von fünf Kilometern zu betreiben.

Das hohe Betriebskostendefizit des Klinikverbundes habe ganz andere Gründe: „Ein wesentlicher ist, dass die Krankenkassen ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Steigende Personalkosten, die der Klinikverbund aufgrund von Tariferhöhungen hat, werden nur zum Teil übernommen.“ Auch würden Kosten, auf deren Erstattung der Klinikverbund Anspruch habe, von den Kassen über Jahre einbehalten, momentan zurück bis in das Jahr 2018. „ Da geht es um zweistellige Millionenbeträge.“

Leonberger Frauenarzt kritisiert Klinikverbund

Hinzu komme, „dass der Gesetzgeber durch ständig neue Auflagen – Mindestmengen, Personaluntergrenzen oder Qualitätsanforderungen – enorme Kosten verursacht, die Realitäten vor Ort nicht berücksichtigt und dadurch mit Billigung der Krankenkassen ein Szenario schafft, dass kleinen Häusern das Genick bricht.“ Erschwerend komme hinzu, dass auch im zweiten Jahr nach Corona bundesweit etwa 15 Prozent weniger Patienten stationär behandelt würden. Während der Pandemie habe der Bund diese Ausfälle finanziell kompensiert. Seit das weggefallen ist, sei im Verbund das Defizit explodiert, von 20 Millionen 2019 auf über 60 Millionen Euro.

„Die Erkenntnis, dass die kleineren Häuser für die Versorgung der Bevölkerung eine zentrale Bedeutung haben, ist unbestritten“, sagt Wöhler. „Umso wichtiger ist es, die Krankenhäuser so aufzustellen, dass sie überlebensfähig sind. Nach meiner Einschätzung wird die Verlagerung der Gynäkologie dazu beitragen.“

Der SPD-Kreisrat reagiert auf die Kritik des niedergelassenen Frauenarztes Karlheinz Roth. Der hatte im Gespräch mit unserer Zeitung die vom Klinikverbund geplante Schließung der Leonberger Gynäkologie scharf kritisiert: „Bestehende Strukturen werden zerstört, die permanenten Kostensteigerungen der Flugfeldklinik aber durchgewunken.“ Den von der Geschäftsführung genannten Personalmangel sieht Roth nicht.