Geschäftsführung, Gesellschafter und Belegschaft des Klinikverbunds Südwest üben den Schulterschluss. Sie fordern bei einem Aktionstag von Bundes- und Landespolitikern mehr Geld.

Böblingen - Pausen können nicht eingehalten werden. Das ist längst Alltag bei uns in den Krankenhäusern“, schilderte Viola Fritsche, Betriebsrätin in der Sindelfinger Klinik die Arbeitsüberlastung der Pfleger und Schwestern. „Die psychische und physische Erschöpfung des Pflegepersonals nimmt zu“, sagte sie. Eine Kollegin beschrieb Gespräche mit „weinenden Schwestern“, die zu ihr kämen und sagten: „Ich schaffe das nicht mehr. So habe ich mir den Beruf nicht vorgestellt.“

 

Dies waren die eindrücklichsten Momente des großen Aktionstags des Klinikverbunds Südwest gemeinsam mit der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft. Auch deren Vorsitzender, der Reutlinger Landrat Thomas Reumann, nahm an der Veranstaltung teil. Dazu hatten sich die sonst häufig heftig miteinander ringenden Parteien zusammengeschlossen: die drei Gesellschafter – die Landräte Roland Bernhard (Böblingen) und Helmut Riegger (Calw) sowie der Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer, die Geschäftsführerin des Verbunds, Elke Frank, und die Belegschaft samt Betriebsrat. Sie alle übten den Schulterschluss und forderten von den Landtags- und Bundestagsabgeordneten des Kreises „einen Rettungsschirm für die von Bund und Land unterfinanzierten Krankenhäuser“. Insgesamt 350 Menschen nahmen an der Veranstaltung am Dienstag teil, darunter viele Mitarbeiter, die mit Bussen aus allen sechs Häusern des Klinikverbunds ins Böblinger Krankenhaus angereist waren, aber auch viele Kreis- und Stadträte.

32 Millionen Euro Defizit im Klinikverbund

Die Landräte und der Sindelfinger Oberbürgermeister schilderten ihr Dilemma: Das Defizit in den Häusern wächst und wächst: auf 32 Millionen Euro beläuft es sich voraussichtlich Ende dieses Jahres in den sechs Krankenhäusern des Klinikverbunds. Ausgleichen müssen es die Kreise und die Stadt. „Wir haben alles getan, was man von uns verlangt hat. Wir haben zentralisiert und gebündelt. Wir sind bei uns weiter als in vielen anderen Kreisen. Trotzdem schaffen wir keine schwarze Null“, sagte der Sindelfinger OB Vöhringer. Und bei den Kommunalpolitikern hat sich nun die Erkenntnis breit gemacht: „Ein Krankenhaus ist kein Wirtschaftsbetrieb.“

Trotzdem basteln sie an weiteren Sparmaßnahmen. Ja, es gebe Überlegungen, den Mitarbeitern das Weihnachtsgeld und die Leitungsentgelte zu streichen, räumte der Aufsichtsratsvorsitzende Helmut Riegger auf Nachfrage eines Mitarbeiters ein. „Wir stehen finanziell mit dem Rücken an der Wand.“ Doch der Betriebsratsvorsitzende Herbert Dietel stellte klar: „Betriebsrat und Belegschaft sind nicht bereit, durch Lohnabsenkungen die Defizite des Haushalts zu sanieren.“

Deshalb nun also der Versuch, die Politiker auf Landes- und Bundesebene direkt zu erreichen. „Machen Sie die Probleme der Krankenhäuser zu Ihrem und nehmen Sie sie mit nach Stuttgart und Berlin“, bat der Landrat Roland Bernhard. Eingeladen waren Paul Nemeth (CDU), Florian Wahl (SPD) und Bernd Muschel (Grüne), die den Kreis im Landtag vertreten, sowie die Bundestagsabgeordneten Clemens Binninger (CDU), Florian Toncar (FDP) und Richard Pitterle (Linke). Doch Binninger, Mitglied der im Bund regierenden CDU-Fraktion, kam nicht. Und Wahl, ausgerechnet der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, ließ sich durch seinen Kollegen Klaus Käppeler vertreten. Die Statements der Politiker waren dann auch eher dürftig, einige nutzten es für Wahlkampf. Vor allem Paul Nemeth, der sich auf seine Rolle als Oppositionspolitiker zurückzog, erntete dafür Kritik. „Als die Landesregierung noch Schwarz-gelb war, war die Finanzierung der Krankenhäuser noch weit schlechter als zurzeit“, sagte eine Zuhörerin zum CDU-Vertreter.

Kaum konkrete Zusagen

Florian Toncar verwies auf die eine Milliarde Euro, die die Bundesregierung kürzlich zusätzlich für die Kliniken bundesweit bereit gestellt habe. „Wir tun durchaus etwas für die Krankenhäuser.“ Das sei aber nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“, monierten die Zuhörer. „Warum verteilen Sie nicht die 33 Milliarden Euro Rücklagen der Krankenkassen an die Klinken? Jedes Haus bekäme 15 Millionen Euro und wäre saniert“, forderte eine Anästhesistin von Toncar. Doch dieser meinte: „Wenn wir das Geld jetzt ausgeben, fehlt es in drei Jahren wieder.“

Dann immerhin machte der FDP-Mann ein Angebot: „Ich setze mich mit der Geschäftsführerin zusammen und sie schildert mir dann, welche Arbeitsbereiche sehr aufwendig sind, aber wenig Geld bringen. Diese Liste übergebe ich dem Gesundheitsminister“. Dieses Angebot nahm Elke Frank dankbar an. Und Murschel und Nemeth versprachen, ihre jeweiligen Erkenntnisse an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu schicken.

Trotz wenig konkreter Zusagen waren die Mitarbeiter am Ende zufrieden. „Endlich hat man uns einmal angehört“, sagte Sybille Stolz, die als Betriebsrätin die Mitarbeiter der Service-Gesellschaft des Klinikverbunds vertritt.