Mehr Medizin, weniger Ökonomie – so lautet kurz gefasst das Ziel der neuen Krankenhausreform, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angehen möchte. Doch führen die Pläne Lauterbachs tatsächlich in die richtige Richtung, um dieses Ziel zu erreichen? „Ja“, sagt Lutz Hager, Vorstandsvorsitzendes des Bundesverbands Management Care. „Aber sie benötigen die aktive Mitwirkung der Länder, im übrigen auch Investitionen, für die die Länder zuständig sind.“ Der Professor für Management im Gesundheitswesen erklärt, ob und wie sich letztlich die Pflege am Patienten verbessern wird.
Herr Hager, wie krank sind unsere Krankenhäuser?
Die Krankenhäuser sind vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen – vor allem dank der Ausgleichszahlungen für entfallene Behandlungen. Die Auslastung ist aber weiterhin deutlich niedriger als vor der Pandemie – und nun laufen die Hilfen aus. Viele Behandlungen müssen aufgrund Personalmangel verschoben werden. Hinzu kommt die Energiekrise, die Krankenhäuser stark betrifft. Ein Krankenhausbett verbraucht soviel Energie wie fünf Privathaushalte. Daher ist die derzeitige Situation der Krankenhäuser im Land tatsächlich sehr schwierig.
Führt die geplante Reform des Bundesgesundheitsministers in die richtige Richtung?
Ja, in jedem Fall. Es ist ein wichtiges und richtiges Ziel, die Zahl der Krankenhausaufenthalte zu verringern. Dazu benötigen wir aber nicht nur Reformen bei den Krankenhäusern, vor allem muss sich auch die ambulante Versorgung verbessern. Dies erfordert weitere Reformen.
Einer der Hauptkritikpunkte ist das Fallpauschalensystem: Reicht eine Anpassung Ihrer Meinung nach aus?
Ja, die Ergänzung um eine zweite Säule ist ein guter Mittelweg. Durch die neue Vorhaltefinanzierung verringert sich die Bedeutung der Fallpauschalen. Im wesentlichen heißt das, dass Krankenhäuser künftig weniger Anreize haben, die Zahl der Behandlungen immer weiter zu steigern. Es bleibt aber dabei, dass sie bei sinkender Auslastung mit Defiziten konfrontiert sind, jedoch in geringerem Umfang. Mit Vorhaltekosten sind die Kosten gemeint, die durch die Vorhaltung etwa von Personal und medizinischen Geräten entstehen, also eine anteilige Betriebskostenpauschale. Die Personalkosten für die Pflege bleiben weiterhin ausgegliedert, so dass wir künftig drei Säulen haben. Das ist gut gedacht, wird aber in der Praxis sehr komplex werden.
Hat Deutschland zu viele Krankenhausbetten?
Darüber sind sich alle Experten einig. Europäische Nachbarländer kommen mit weniger als der Hälfte der Krankenhausbetten aus – wenngleich nicht dieser Vergleich, sondern eine gute Versorgung der Maßstab sein sollte. Nur wird die Änderung der Vergütung allein wenig daran ändern. Aber die Reform greift noch an einem weiteren Punkt an, der Spezialisierung. Die hier vorgeschlagenen Mechanismen sind aber experimentell, auf längere Sicht angelegt und benötigen die aktive Mitwirkung der Länder, im übrigen auch Investitionen, für die die Länder zuständig sind. Hier muss noch viel passieren.
Wie wirkt sich die Reform konkret aus: Inwieweit wird man direkt am Patientenbett bemerken, dass sich die Versorgung verbessert?
Dieser Reformvorschlag ist ein abstraktes Konzept, sehr ökonomisch durchdacht und systemorientiert. Wie sich diese Reform insbesondere auf die einzelnen Krankenhäuser auswirkt, hängt davon auch ab, wie stark sich diese auf die Änderungen einlassen. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer abzusehen. Auch deswegen plädiere ich für mehr Ausgestaltungsspielraum auf regionaler Ebene. Meiner Meinung nach werden die Patienten aber letztlich von dieser Reform profitieren: Es ist ja schon länger bekannt, dass je seltener Einrichtungen bestimmte Eingriffe vornehmen, desto schlechter in der Regel die Ergebnisse sind. Dennoch hat man den Plan, Kliniken stärker zu spezialisieren, bisher nicht wirklich konsequent umgesetzt. Das würde sich mit den Reformplänen ändern. Gleichzeitig besteht für die kleineren Krankenhäuser auf dem Land die Chance, dass sie als Grundversorger bestehen bleiben. Hier schlägt die Kommission ein neues Konzept vor, das wirklich innovativ ist. So behalten Patienten ihr Krankenhaus vor Ort und müssen nur für besondere Behandlungen und Eingriffe weitere Wege auf sich nehmen.
Lutz Hager
Vorsitz
Lutz Hager, Professor für Management im Gesundheitswesen an der SRH Fernhochschule – The Mobile University, ist seit April Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Management Care. Der BMC ist ein pluralistischer Verband, der sich für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems im Sinne einer zukunftsfähigen, qualitätsgesicherten und patientenorientierten Versorgung einsetzt.
Ausbildung
Hager hat einen Abschluss als Diplom-Politologe (FU-Berlin) sowie ein deutsch-französisches Doppeldiplom in Politik- und Sozialwissenschaften (FU-Berlin/Sciences Po Paris). Er promovierte zum Dr. phil. an der FU-Berlin im Fach Politikwissenschaft. Hager lebt in Berlin, ist verheiratet und hat zwei Kinder.