Weltweit steigt die Zahl der Krebserkrankungen deutlich. Die Stuttgarter Kliniken reagieren darauf mit Investitionen in die Strahlentherapie. Denn auch in der Landeshauptstadt nehmen die Erkrankungen tendenziell zu.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Weltweit steigt die Zahl der Krebsfälle stark, vor allem beim Lungenkrebs, das hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kürzlich erklärt. Hierzulande ist die Lage anders: Krebserkrankungen nehmen zwar ebenfalls zu, aber nur aufgrund der Alterung der Bevölkerung und durch eine verbesserte Diagnostik. Die Behandlung der Patienten gewinnt weiter an Qualität. Das zeigen die Ergebnisse des Onkologischen Schwerpunkts Stuttgart (OSP), einer Kooperation der Krankenhäuser in der Landeshauptstadt. Gleich mehrere Häuser rüsten in der Tumorbehandlung nochmals auf oder haben das vor Kurzem getan.

 

Daten zu Krebserkrankungen zu erhalten ist nicht ganz einfach. Bundesweit liegen zwar Zahlen vor, das Landeskrebsregister aber ist noch im Aufbau. In Stuttgart ist die Situation günstiger: Seit der Gründung des OSP-Verbundes in den 80er Jahren wurde hier ein lokales Krebsregister entwickelt, das die in den angeschlossenen Häusern behandelten Fälle und deren Verläufe registriert.

Auch in der Region wird das therapeutische Angebot besser

Das ist keineswegs einfach, erst im Lauf der Jahre hat man aussagekräftige Daten mit einer hohen Qualität erreicht. „Solche Daten haben wir nur dank der guten Zusammenarbeit der Krankenhäuser“, sagt Else Heidemann, die OSP-Vorsitzende und Chefärztin am Diakonie-Klinikum. So müssen die Fälle etwa präzise nach den gleichen Kriterien codiert werden.

Gut ausgewertete Daten liegen aus dem Jahr 2011 vor. Damals wurden in den Stuttgarter Krankenhäusern 6784 neue Krebsfälle diagnostiziert. Von diesen kamen 37 Prozent aus Stuttgart selbst und 63 Prozent aus dem Umland, vor allem aus den Landkreisen der Region, zum Teil aber auch aus dem Ostalbkreis und aus den Räumen Heilbronn und Pforzheim. Daran lässt sich erkennen, welch wichtige Rolle die Landeshauptstadt beim Thema Krebs hat.

Auffallend ist, dass seit einigen Jahren die Zahl der Patienten aus dem Umland in einigen Feldern abgenommen hat, etwa bei Prostatakrebs und bei Darm- und Brustkrebs (siehe Grafik). „Dies zeigt, dass es auch im Umland inzwischen solche Zentren gibt“, sagt Friedhelm Brinkmann, als EDV-Leiter des Diakonie-Klinikums zuständig für die Statistik des OSP.

Lungenkrebs bei Frauen nimmt zu

Die starke Zunahme etwa der Fälle des heute „gut behandelbaren“ Prostatakrebses seit Mitte der 90er Jahre von insgesamt 175 auf 576 im Jahr 2006 führt Brinkmann auf die vor Jahren noch unzureichende Statistik, aber auch auf die wachsende Lebenserwartung von Männern und auf die Effekte der Vorsorge zurück. Sowohl bei Prostatakrebs als auch bei Darmkrebs ist die Zahl der Erstdiagnosen bei Patienten aus Stuttgart etwa gleich geblieben. Die Zahl der Lungenkrebsfälle bei Männern nimmt bekanntlich ab (pro Jahr sind es in den Stuttgarter Krankenhäusern rund 700), weil sie weniger rauchen; bei den Frauen nimmt sie zu, weil diese öfter zum Glimmstängel greifen. Generell, stellt Else Heidemann fest, habe sich in den vergangenen Jahren an den Zahlen „nichts wesentlich geändert“.

Bemerkenswert ist allerdings die Zunahme der Brustkrebsfälle von 916 im Jahr 2006 auf 988 im Jahr 2011. Diese Steigerung ist darauf zurückzuführen, dass Frauen vom 50. Lebensjahr an seit 2007 aufgefordert werden, zum Mammografie-Screening zu gehen. „Dadurch werden vermehrt Fälle in einem frühen Stadium entdeckt“, sagt Friedhelm Brinkmann. „Wir gehen aber davon aus, dass sich die Werte wieder auf dem früheren Niveau einpendeln.“

Spezialisten arbeiten im „freundlichen Wettbewerb“ zusammen

Gerade im Bereich Brustkrebs ist der OSP sehr erfolgreich. So hat man ermittelt, dass auch zehn Jahre nach der Diagnose 81,7 Prozent der Frauen mit Brustkrebs noch leben, die nach den Leitlinien des OSP behandelt wurden, aber nur noch 79,5 Prozent der Patientinnen, die nicht so betreut wurden. In einer bundesweiten Studie wurde den Patientinnen aus Stuttgart „die beste Lebensqualität“ bescheinigt, sagt die Chefärztin Else Heidemann.

Sie führt das insgesamt auch auf die gute Zusammenarbeit der Spezialisten der verschiedenen Häuser zurück, auf den „freundlichen Wettbewerb“, zu dem gehöre, „dass die Leute, die viel können, dies bei uns einander gegenüber nicht verbergen“.

Natürlich haben diese Ergebnisse auch mit der guten Ausstattung der Kliniken zutun. Alle großen Häuser haben längst sogenannte PET-CTs, mit denen auch kleinste Tumore aufgespürt werden können. In der Strahlentherapie läuft derzeit gar eine Art Wettrüsten. Das Diakonie-Klinikum hat erst Ende 2012 eine moderne Strahlentherapie eingerichtet, das städtische Klinikum baut seine gerade für 14,7 Millionen Euro neu. Das Robert-Bosch-Krankenhaus will im Lauf des Jahres in seinem Neubau eine zehn Millionen Euro teure Anlage zur Tumorbehandlung eröffnen, zusammen betrieben mit dem Marienhospital.