Christian Wulff wurde von der BW-Bank als vermögender Privatkunde eingestuft - obwohl er dort neben dem Hauskredit nur ein Girokonto hat.

Stuttgart - Als Stadtsparkasse soll die BW-Bank die arbeitslose alleinerziehende Mutter in Stuttgart-Münster genauso bedienen wie den türkischstämmigen Gebäudereiniger aus Heslach. Viel zu holen ist bei diesen Kunden freilich nicht. Im Privatkundengeschäft „ist derzeit nichts zu verdienen“, klagte Michael Horn, der stellvertretende Vorstandschef, bei der Jahrespressekonferenz im Frühjahr 2008. Im darauffolgenden Oktober hat die Regionalbank, die vor ihrer Eingliederung in den Landesbank-Konzern als feine Adresse für gehobene Privatkunden galt, deshalb das Geschäftsfeld Wealth Management gegründet. Das damals neu berufene Vorstandsmitglied Peter Haid (47) kümmert sich mit einem Team von mittlerweile 18 Beratern um die Klientel der Superreichen – „erfolgreiche Unternehmer, Visionäre, Macher“, so die Selbstdarstellung. Zur Zielgruppe gehöre, wer mehr als drei Millionen Euro an nicht in Immobilien gebundenem Vermögen habe, hatte der damalige BW-Bank-Chef Joachim Schielke verkündet.

 

Darauf will man sich heute nicht mehr festlegen: „Die Zielgruppe des Wealth Management ist nicht final definiert“, erklärte die Bank auf Anfrage. Die LBBW-Tochter bestätigte gegenüber der StZ erstmals, dass ihr aktuell prominentester Kunde, Bundespräsident Christian Wulff, durch einen Mitarbeiter dieser Premiumsparte betreut wurde. Wulff, zu Beginn der Geschäftsbeziehung noch Landesfürst in Hannover, sei aus Sicht des Kundenberaters, der mit ihm Kontakt hatte, „ein attraktiver Neukunde mit finanzieller Perspektive und Absicherung“ gewesen. Allgemein heißt es, neben einkommensstarken Kunden, vermögenden Personen und Familienverbünden gehörten auch Personen zur Zielgruppe, für die aufgrund deren Potenzialvermutung „eine Betreuung im Wealth Management angemessen ist“.

Branchenkenner wundern sich über diese Einschätzung. Brachte doch der Neukunde aus Norddeutschland im Dezember 2009 nichts weiter mit als den Wunsch, die Bank möge seinen Privatkredit über 500.000 Euro ablösen. Es war nie die Rede davon, dass Wulff nennenswerte Summen bei der BW-Bank anlegen möchte. Abgesehen von dem Kredit, so erklärte das Institut jüngst, habe der Bundespräsident noch ein Girokonto in Stuttgart.

Sein Einkommen lässt den Spitzenpolitiker nicht zur Crème de la Crème der Bankklientel gehören. Im Jahr 2010 hat Wulff nach Auskunft der niedersächsischen Staatskanzlei zwölf Monatsgehälter von rund 13 522 Euro erhalten, hinzu kommt noch ein bescheidener Familienzuschlag und ein Teil der Vergütung als Mitglied des Aufsichtsrats von Volkswagen (6200 Euro), insgesamt überschlägig knapp 170 000 Euro. Selbst sein Karrieresprung im Juni 2010 mit der Wahl zum Staatsoberhaupt hat Wulff keine signifikante Einkommensverbesserung beschert. Nach Auskunft des Bundespräsidialamtes betragen seine Bezüge aktuell 199 000 Euro im Jahr.

Und wenn die Dienstleistungen der BW-Bank-Vermögensverwalter – unter anderem Wertpapier-, Liquiditäts-, Immobilien- und Beteiligungsmanagement für „komplexe Vermögensstrukturen“ sowie Finanzierungen – wirklich so exklusiv sind, warum bekommt dann Otto Normalkunde in einer großen BW-Bank-Filiale die Auskunft, „die Konditionen für ein Geldmarktdarlehen kann jeder Kunde im Rahmen einer Baufinanzierung bekommen“?

Wie kam es zu dieser Vorzugsbehandlung?

„Wulff passt nicht ins Raster“ des Wealth Managements, sagt ein langjähriger Kenner der Bank. Allenfalls zusammen mit seinem wohlhabenden Unternehmerfreund, dem BW-Bank-Kunden Egon Geerkens werde ein Schuh daraus, urteilt ein anderer Insider. Doch Geerkens war ja laut BW-Bank nicht mehr als der Türöffner des Ministerpräsidenten. Wie kam es also zu dieser Vorzugsbehandlung? Sonderkonditionen für Politiker gebe es nicht, hatte das öffentlich-rechtliche Institut bereits zu Beginn der Kreditaffäre erklärt. Ein ehemaliges Vorstandsmitglied, das nicht genannt werden will, bestätigt dies. So etwas wäre äußerst gefährlich, ganz abgesehen von der Abgrenzung: Am Ende würde jeder Landrat auf eine VIP-Behandlung pochen.

Ungläubiges Staunen ruft bei Branchenkennern auch die Aussage der Bank hervor, der Vorstand sei in die Kreditvergabe nicht eingebunden gewesen. Gegenüber der StZ präzisierte das Institut nun seine Angaben: Das zuständige Vorstandsmitglied „hat von der Neukundengewinnung erst nach Auszahlung des Darlehens erfahren.“ Peter Haid habe am Rande einer Vorstandssitzung „mündlich allgemein“ davon berichtet, jedoch ohne Details zu nennen.

Dass der Vorstand nicht schon direkt nach dem ersten Anruf von Wulff bei der Bank kurz informiert worden sei, entspreche nicht den in der Branche üblichen Gepflogenheiten, heißt es. „Über prominente Kunden wird im Vorstand gesprochen“, sagt ein Insider.

Bei der BW-Bank, die für die LBBW in Krisenzeiten ein Stabilitätsanker war, kann eigentlich niemand mehr glücklich sein über die anhaltende Diskussion. Auch die nach innen und außen sehr selbstbewusst auftretenden „Relationship- und Family-Office-Manager“ dürften über die Schlagzeilen kaum erfreut sein. Sie waren bisher vom Erfolg verwöhnt. Ende 2010 sind mehr als 2800 Kundenverbindungen mit einem Anlagevolumen von 4,2 Milliarden Euro betreut worden. Neuere Zahlen werden nicht genannt. Der Schwerpunkt liegt auf dem Südwesten, wo die Millionärsdichte besonders hoch ist. Aber die Berater sind auch bundesweit unterwegs. Jährlich werden etwa 500 Millionen Euro an Neugeldern eingeworben. Zwar ist der Ergebnisbeitrag mit 25 Millionen Euro Bruttoerlösen (2010) für die Bank insgesamt bescheiden. Dort beliefen sich die Bruttoerlöse auf 1,29 Milliarden Euro (plus 1,3 Prozent). Doch glänzt das Wealth Management mit einem Wachstum von 48,5 Prozent. Mit Kunden aus dem Massengeschäft ist so etwas nicht zu erreichen.