Am gleichen Tag, als Verkehrsminister Winfried Hermann 62 Millionen Euro für die Hesse- und die Schönbuchbahn zusagt, meldet sich der Regionalverbald mit Bedenken zu Wort. Er fürchtet, in Weil der Stadt könnte es zu Engpässen kommen.

Stuttgart/Calw/Weil der Stadt - Am selben Tag, als der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann die endgültige Zusage für Landeszuschüsse macht, gibt es scwhwelt der Streit zwischen der Region Stuttgart und dem Landkreis Calw weiter. Dabei geht es um die Frage, ob die geplante Reaktivierung der Hermann-Hesse-Bahn von Calw nach Renningen den Betrieb der S-Bahn beeinträchtigen könnte. Die Stuttgarter Regionaldirektorin Nicola Schelling sagte am Mittwoch vor dem regionalen Planungsausschuss, dass eine Abstellanlage am S-6-Endpunkt in Weil der Stadt zur Disposition stehe. Sollte sie für die S-Bahn nicht mehr genutzt werden können, könnten keine zusätzlichen Züge eingesetzt werden, mit denen die Region die Verspätungen im gesamten S-Bahn-Netz bekämpfen will. Die Region könne den Plänen für die Hesse-Bahn nur zustimmen, wenn diese Fragen geklärt seien.

 

Zwar betonten Sprecher aller Fraktionen, ein Ausbau des Schienenverkehrs sei zu begrüßen, dies dürfe aber nicht zu Nachteilen für die S-Bahn führen. In einer einstimmig angenommenen Stellungnahme erneuert die Region deshalb ihre Forderung nach einem „Nachweis des störungsfreien Betriebs der S-Bahn“ zwischen Weil der Stadt und Renningen, wo auch die Hesse-Bahn fahren soll. Besonders der 2,5 Kilometer lange eingleisige Abschnitt zwischen Weil der Stadt und Malsheim und der Knoten Renningen, wo sich heute schon S 6 und S 60 treffen, steigern die Befürchtungen der Region. „Beeinträchtigungen auf das S-Bahnnetz der Region können deshalb nicht toleriert werden“, heißt es in dem Beschluss, der zusammen mit einer Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren für den Bereich Weil der Stadt-Ostelsheim an das Regierungspräsidium Karlsruhe geschickt wird. Dieses Genehmigungsverfahren war auch der Grund, warum sich der Planungs- und der Verkehrsausschuss der Region mit dem Thema beschäftigten.

In der Debatte schlugen die Regionalräte Thomas Leipnitz (SPD) und Wilfried Dölker (Freie Wähler) vor, die Hesse-Bahn solle zunächst nur bis Weil der Stadt fahren, um die Schwierigkeiten mit der S-Bahn zu verhindern. Sie kritisierten wie auch Jürgen Lenz (CDU), dass das Konzept noch nicht so ausgereift sei, dass „wir Ja oder Nein sagen können“. Ingrid Grischtschenko von den Grünen meinte, man solle die Probleme „nicht größer machen, als sie in Wirklichkeit sind“.

Calw sieht keine Probleme

Der Kreis Calw widerspricht den Befürchtungen der Region und verweist auf ein Gutachten der Bahntochter DB Netz AG, das einen problemlosen Parallelbetrieb auf dem Abschnitt zwischen Weil der Stadt und Renningen im Halbstundentakt mit der S-Bahn attestiert. Laut der Regionaldirektorin Schelling fehlten aber Informationen aus Calw, um beispielsweise die Problematik der Abstellanlage einschätzen zu können. In Weil der Stadt sollten Bahnen bereitgestellt werden, die im fliegenden Wechsel mit einfahrenden Zügen losfahren. Mit diesen „überschlagenen Wenden“ können Verspätungen abgebaut werden, da unpünktlich ankommende Bahnen nicht sofort wieder abfahren müssen. Für diesen Zweck hat die Region zuletzt für 82 Millionen Euro zehn weitere S-Bahn-Züge finanziert, die an den Endpunkten des Netzes bereitgestellt werden sollen. Eine weitere Schwierigkeit ist nach Meinung der Region, dass die für die Hesse-Bahn geplanten Züge nicht an den bestehenden Bahnsteigen der S 6 halten dürfen, so dass neue Bahnsteige gebaut werden müssten.

Aus der Stellungnahme wird auch deutlich, dass es atmosphärische Störungen gibt. Die Region wirft dem Landkreis Calw vor, nicht an einer guten Zusammenarbeit interessiert zu sein und Gutachten nicht zu veröffentlichen. Sie fordert eine bessere Beteiligung an der Planung. Prinzipiell unterstützt die Region aber den Plan, einen neuen 460 Meter langen Tunnel zu bauen, der die sogenannte Hackbergschleife abkürzen soll (siehe Grafik), und den zweigleisigen Ausbau bis zum Halt Ostelsheim. Die Region bemängelt aber, dass die Planfeststellung aufgeteilt werde und nicht über die gesamte Strecke erfolge. Deshalb fehlten „Aussagen zur Gesamtlinienkonzeption und zum Betriebskonzept“, ohne die keine Entscheidung möglich sei.

Der Minister gibt grünes Licht für zwei Bahnprojekte

Neue Probleme also auf der einen Seite. Gleichzeitig gibt es von der Landesebene gute Nachrichten sowohl für die Hesse-Bahn als auch für die Schönbuchbahn. Gestern kam für den Kreis Böblingen nun die lange erwartete Förderzusage des Landes. Öffentlich wird sie am Mittwochvormittag in der Zweckverbandsversammlung der Schönbuchbahn, als der Landrat Roland Bernhard bekannt gibt: Das Land gibt endgültig sein Plazet für beide Bahnprojekte. Die Hesse-Bahn wird mit 50 Prozent der Kosten bezuschusst, die Schönbuchbahn mit 75 Prozent, wobei das allerdings nur für die Schienenstrecke gilt.

Der Hintergrund: am Dienstagabend hat sich der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann mit den Landräten Roland Bernhard (Böblingen) und Helmut Riegger (Calw) in Stuttgart getroffen, um die unübersichtliche Situation zu klären und beide Bahnprojekte in trockene Tücher zu bekommen. Daraufhin hat das Verkehrsministerium am Nachmittag eine ausführliche Pressemitteilung verschickt: Es gibt eine Zusage für beide Projekte. Sie erhalten aus dem Topf des Landes-Verkehrsfinanzierungsgesetzes Zuschüsse.

„Die Projekte sind für beide Landkreise von großer Bedeutung“, erklärt der Minister. „Sie sind wichtig, um den Verkehr auf den Straßen des Ballungsraumes zu entlasten.“ Der grüne Abgeordnete Bernd Murschel spricht von einem „Weihnachtsgeschenk“.

Fast 62 Millionen Euro für zwei Bahnprojekte

Die Hesse-Bahn wird mit 24,9 Millionen Euro gefördert. „Das ist hervorragend, das bestätigt zu 100 Prozent unsere Linie“, erklärt der Calwer Landrat Helmut Riegger (CDU) am Nachmittag. Die Zusage des Ministers entspreche genau dem, was vereinbart worden sei. Das sei ein „großer Meilenstein“ für das Schienenprojekt. Die nächsten Schritte seien, den Stresstest zu erweitern und die Wünsche des Regionalverbandes zu erfüllen (siehe Artikel unten). Noch im Januar will Calw nun an die Öffentlichkeit gehen, alles offenlegen und auch in Renningen die Pläne für die Strecke auslegen. „Baubeginn könnte im nächsten Jahr im Herbst oder Winter sein“, erklärt der sichtlich euphorische Helmut Riegger am Mittwoch.

Die Hesse-Bahn wird damit zu 50 Prozent gefördert. „Damit bringen wir ein wichtiges Projekt aufs Gleis“, erklärt der Minister dazu. Auch die von Riegger geplante Stufenlösung kommt: Zum Start 2018 oder 2019 soll zunächst mit Dieselfahrzeugen begonnen werden, dann wird später auf moderne Brennstoffzellen-Triebwagen umgestellt.

Zugesagt hat der Calwer Landrat auch Lärmschutz für die Neubaustrecke zwischen Ostelsheim und Schafhausen. Allerdings bleiben die Bedenken der Kritiker in Weil der Stadt und Renningen auf der Tagesordnung, auch nach der großen Infoveranstaltung in Weil der Stadt vergangene Woche sieht man nicht alle Fragen ausgeräumt.

Ein faires Angebot für die Schönbuchbahn?

Und bei der Schönbuchbahn? „Ja, ich freu’ mich“, sagt der Böblinger Landrat Roland Bernhard. Das Land hat 37,5 Millionen Euro für den Ausbau und die Elektrifizierung angeboten. Erhofft hatte sich der Kreis rund 42 Millionen Euro für die Modernisierung der Strecke zwischen Böblingen und Dettenhausen (Kreis Tübingen), die unterm Strich rund 82,2 Millionen Euro kosten wird. „Mehr war nicht drin“, sagt Bernhard.

Das sei ein gutes Verhandlungsergebnis, wenn man bedenke, dass anfangs ein Zuschuss von 25 Millionen Euro im Raum gestanden habe, so Bernhard. Der Kreistag soll nächstes Frühjahr entscheiden, ob er das Angebot des Landes annimmt. Dann muss der Zweckverband Schönbuchbahn, dem die beiden Nachbarkreise Böblingen und Tübingen angehören, richtig Gas geben. Denn die Arbeiten für den zweigleisigen Ausbau zwischen Böblingen und Holzgerlingen, die Elektrifizierung der kompletten Strecke und den Bau eines Betriebshofes in Böblingen müssen bis spätestens Ende 2019 erledigt sein.

Bis dahin läuft nämlich die Förderung des Landes. Am Kreis Böblingen werden – nach Abzug aller Fördermittel und des Anteils vom Kreis Tübingen von 15 Prozent – am Ende rund 26,4 Millionen Euro hängen bleiben. „Damit ist das Land an die Grenze des Möglichen gegangen“, sagt dazu der Minister Winfried Hermann.