Im Streit über angeblich radioaktiven Müll auf den Deponien meldet sich jetzt der Kreis zu Wort. Der Müll aus der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe sei nicht schwach radioaktiv. Die Grünen fühlen sich dennoch belogen.

Kreis Ludwigsburg - Es hat lange gedauert, bis sich die Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises (AVL) zum Streit über angeblich radioaktiven Müll auf ihren Deponien geäußert hat. Erst mehrere Tage nach den ersten Informationen zu der Sache war es soweit: Die Abfälle vom Rückbau des Forschungszentrums Karlsruhe und der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe seien nicht radioaktiv, heißt es in der Mitteilung vom Dienstag. Der Bauschutt, der von 2008 bis 2015 in den Kreisdeponien Froschgraben in Schwieberdingen und Burghof in Vaihingen/Enz eingelagert worden war, sei freigemessen. Das bedeutet, dass dessen Strahlung den Grenzwert von 10 Mikrosievert im Jahr nicht überschreitet und gemäß der Strahlenschutzverordnung gewöhnlicher Bauschutt ist.

 

Damit ist der größte Streitpunkt in der Debatte über die Geschäfte der AVL vom Tisch. Ein Bericht der lokalen Presse hatte in der vergangenen Woche nahegelegt, dass schwach radioaktiver Bauschutt aus Karlsruhe in den Kreisdeponien eingelagert worden sei. Die Gemeinde Schwieberdingen verlangte Aufklärung von der AVL, ebenso war die Fraktion der Grünen im Kreistag „empört“. Am Montag wollte man sich bei der AVL nicht dazu äußern, eine Stellungnahme sei in Arbeit, hieß es nur.

6800 Euro für 50 Tonnen Schutt im Jahr

Aus dieser geht nun hervor, dass das Umweltministerium im Jahr 2006 vier Deponiebetreiber, darunter auch die AVL, angefragt hatte, ob sie Bauschutt und Bodenaushub aus dem Forschungszentrum Karlsruhe einlagern könnten, weil der Landkreis Karlsruhe selbst über keine Deponiekapazität verfüge. Nach der Genehmigung des Rückbaus und der Freimessung durch das Umweltministerium seien von 2007 an pro Jahr im Schnitt weniger als 50 Tonnen in beiden Deponien eingelagert worden, wodurch die AVL insgesamt Einnahmen von rund 6800 Euro erzielt habe.

Dadurch schrumpft der potentielle Atommüll-Skandal auf ein Kommunikations-Desaster zusammen. Erst kürzlich verkündeten Umweltministerium und AVL, dass Bauschutt aus dem Rückbau des Atomkraftwerks Neckarwestheim von 2017 an in den Kreisdeponien eingelagert werden soll. Dafür wurde eine besondere Handlungsanleitung erarbeitet, die mehr Transparenz und lückenlose Kontrollen vorschreibt.

AVL-Chef Remlinger: Hinterher ist man schlauer

Auch hier geht es um freigemessenen Bauschutt. Der Unterschied: damals „sahen Geschäftsführung und Technische Leitung der AVL keine Veranlassung für besondere Sicherheitsmaßnahmen und sahen auch nicht die Notwendigkeit, die Standortgemeinden, den Landrat oder die zuständigen Gremien mit einzubinden“, wie es in der AVL-Pressemitteilung heißt. Auf Nachfrage räumte Utz Remlinger, der AVL-Geschäftsführer, ein, dass die Einlagerung zwar „auf sauberer rechtlicher Grundlage“ erfolgt sei, die Kommunikation nach außen aber transparenter hätte gestaltet werden können. „Hinterher ist man schlauer“, sagte Remlinger.

Das reicht den Kreistags-Grünen nicht. „Wir fühlen uns nach wie vor über all die Jahre belogen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Peter Michael Valet. Immer wieder hätten die Grünen im AVL-Aufsichtsrat gefragt, ob freigemessene Abfälle in Kreisdeponien eingelagert würden, stets sei die Antwort Nein gewesen, sagt Valet. Damit sei die angekündigte „umfassende“ Transparenz „mehr als in Frage gestellt“, die Grünen würden die Zustimmung zur Einlagerung von Schutt aus Neckarwestheim versagen. „Solange wir keine besseren Informationen bekommen, lehnen wir das ab.“

Kommentar: Fehlstart mit Folgen

Wer sich transparent zeigen möchte, sollte das auch mit Blick auf die Vergangenheit tun, denn sonst droht der Vertrauensverlust.

Die groß angekündigte Transparenz-Offensive beim Rückbau des Atomkraftwerks Neckarwestheim ist für die Abfallgesellschaft (AVL) erst einmal nach hinten losgegangen. Man wollte zeigen, dass man aus den Protesten gegen die Müllentsorgung während des Rückbaus des Atomkraftwerks Obrigheim gelernt hat. Deshalb wurde jüngst eine Handlungsanleitung für mehr Transparenz, die lückenlose Kontrollen, genaue Vorschriften für von Verpackung und Anlieferung des Schutts sowie zusätzliche Kontrollen durch einen unabhängigen Sachverständigen vorsieht, vereinbart, um dem Bürger zu zeigen, dass man seine Sorgen ernst nimmt.

Nun wird klar, dass eine derartige Rücksichtnahme in der Vergangenheit keine Rolle spielte. Nicht einmal der Landrat wusste von der Einlagerung von Bauschutt aus Karlsruhe – und er ist der Aufsichtsratsvorsitzende der AVL. Rainer Haas, der sich sehr für einen transparenten Rückbau von Neckarwestheim eingesetzt hat, muss diese Nachricht besonders ärgern. Die neue Handlungsanleitung hätte eine Gelegenheit sein können, auch im Hinblick auf die Vergangenheit reinen Tisch zu machen. Denn nur eine umfassende Transparenz ist auch eine, die den Namen verdient hat. Stattdessen wurde viel Vertrauen verspielt – ein Fehlstart mit Folgen.