Immer mehr Bürger im Landkreis nutzen die Biotonne – auch für die geplante Vergärungsanlage in Bietigheim-Bissingen ist das ein wichtiges Signal.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Kreis Ludwigsburg - Lange zeigte die Kurve nur in eine Richtung: nach unten. 1996 ist im Kreis Ludwigsburg die Biotonne eingeführt worden, 40 000 Tonnen Biogut wurden anfangs jährlich eingesammelt, bevor der Abwärtstrend begann: bis auf zuletzt nur noch 22 000 Tonnen. Jetzt zeigen sich erste Anzeichen einer lange erhofften Trendwende. „Im ersten Halbjahr 2015 waren es zehn Prozent mehr Biogut als im Vorjahreszeitraum“, sagt Jochen Mäule, der stellvertretende Leiter der Abteilung Ressourcen und Logistik der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises (AVL).

 

Für die AVL und das Landratsamt ist dies ein wichtiges Signal, wird doch seit 2012 ein erheblicher Aufwand betrieben, um die Mengen zu steigern. Gebühren wurden gesenkt, Informationskampagnen gestartet, der Takt der Biomüllabfuhr verbessert. Lange Zeit wurden die Tonnen nur alle zwei Wochen abgeholt, was viele Nutzer abschreckte, weil Biomüll schnell unangenehm riecht. Seit 2013 gilt in den Sommermonaten wieder ein Wochenrhythmus. Es dauere manchmal, bis sich so etwas herumspreche, sagt Mäule. Aber man sei auf einem guten Weg, und das sei wichtig: „Biomüll ist zu schade für die Restmülltonne.“

Die Vergärungsanlage braucht 40 000 Tonnen Müll

Vor allem zu wertvoll. Immerhin wird im Kreis Ludwigsburg derzeit mit großem Aufwand eine Biogutvergärungsanlage geplant, in der von 2018 an Müll in Strom, Gas und Wärme umgewandelt werden soll. Allein mit dem dort erzeugten Strom ließen sich 4000 Haushalte versorgen. Doch die Anlage, um deren Standort heftig gerungen wird, muss mit mindestens 40 000 Tonnen Müll pro Jahr gefüttert werden, sonst lässt sie sich nicht wirtschaftlich betreiben.

Das von der AVL beauftragte Betreiberkonsortium um die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen blickt daher sehr genau auf die Bemühungen, die Mengen nach oben zu treiben – und gibt sich selbst große Mühe, alle Sorgen zu zerstreuen. Vor allem jene, die Müllgebühren könnten deutlich ansteigen, wenn die Vergärungsanlage zum Verlustgeschäft wird. Es drohe keine Gebührenerhöhung, versichert der Stadtwerke-Chef Rainer Kübler. „Die AVL hat mit uns vertraglich einen festen Preis vereinbart.“

Das unternehmerische Risiko liegt nicht beim Landkreis

Kübler verweist darauf, dass man nicht allein auf das Biogut aus dem Kreis Ludwigsburg angewiesen sei, sondern sich auch an Ausschreibungen anderer Kreise beteiligen könne. Zudem habe man Partner gewonnen, die ihr Biogut in der Anlage zu Kompost verarbeiten wollen – auch damit lasse sich die Auslastung steigern.

Nicht alle sehen das so rosig. So sagt der Grünen-Landtagsabgeordnete Daniel Renkonen, der früher selbst im Kreistag saß: „Wenn es nicht gelingt, mehr Biomüll zu akquirieren, wird es schwer für die Vergärungsanlage.“ Dem Kreis Ludwigsburg sei deswegen kein Vorwurf zu machen, immerhin habe man sich dort lange und letztlich erfolglos um eine Kooperation mit der Stadt Stuttgart bemüht. Bei einer Zusammenarbeit wäre die Wirtschaftlichkeit locker gegeben gewesen, so aber stehe es für Ludwigsburg und für Stuttgart Spitz auf Knopf.

Wohl auch deshalb hat der Landkreis beschlossen, dass die AVL nicht selbst in den Betrieb einsteigt. Das unternehmerische Risiko, betont der Landrat Rainer Haas, liege allein bei den Stadtwerken und ihren Partnern.

28 000 Tonnen Biomüll – dieses Ziel hat sich die AVL gesetzt, und zwar spätestens für das Jahr 2018. Das sei realistisch, sagt Jochen Mäule. 86 000 Biotonnen seien Ende 2014 im Kreis Ludwigsburg im Einsatz gewesen, die Haushaltsabdeckung liege bei geschätzten 50 Prozent, Tendenz steigend. Wichtiger als der Abdeckungs- sei indes der Nutzungsgrad. „Es bringt nichts, wenn in jedem Haushalt eine Tonne steht, die aber nicht genutzt wird.“ Aus eben diesem Grund verzichtet die AVL darauf, mit aller Macht die laut Abfallwirtschaftssatzung vorgeschriebene Pflicht zur Biotonne durchsetzen. Nur Neubürger erhalten diese automatisch, ob sie wollen oder nicht. Bei allen anderen setzt die AVL auf Beratung – und auf Einsicht.

Wobei vor allem die Kosten ein Argument liefern: 70 Cent kostet seit der letzten Gebührensenkung die Leerung einer 120-Liter-Biotonne, bei der gleich großen Restmülltonne sind es 4,43 Euro. Auch über die Einführung einer kostenlosen Biotonne wurde bereits nachgedacht. Aber bislang konnte sich der Kreis dazu nie durchringen, denn auch damit wären neue Schwierigkeiten verbunden. Wo es kostenlose Biotonnen gibt, steigt die sogenannte Störstoffproblematik, das heißt: im Biomüll taucht plötzlich zunehmend Restmüll auf.