Der Region gehen im Norden die Gewerbeflächen aus. Diese Einsicht kommt reichlich spät, finden viele Bürgermeister.

Kreis Ludwigsburg - Die Einsicht kommt spät – aber immerhin: sie kommt. So urteilen viele Bürgermeister im Kreis Ludwigsburg zur kürzlich verkündeten Erkenntnis des Verbands Region Stuttgart, dass es im Norden der Region einen großen Mangel an Gewerbeflächen gibt. Nördlich des Autobahndreiecks Leonberg, entlang der A 81 gibt es, so rechnete die Wirtschaftsregion kürzlich im Planungsausschuss vor, bis zum Jahr 2020 mehr als 100 Hektar Gewerbefläche zu wenig, um den Bedarf der Unternehmen zu stillen. Vor allem, weil das von der Region geplante Gebiet Pleidelsheim/Murr am Widerstand der Gemeinde Pleidelsheim gescheitert ist. Aber auch, weil sich beim Schwerpunkt Kornwestheim-West, bekannt als Güterverkehrszentrum, nichts tut.

 

Auch wenn mancher Rathauschef diese Entwicklung geahnt hat, ist von Schadenfreude kaum etwas zu hören. „Ich finde das sehr positiv, dass die Region endlich den Stein ins Rollen bringt“, sagt Reinhard Rosner, Bürgermeister von Oberstenfeld. Es schmerze ihn noch heute, dass seine Gemeinde in den vergangenen Jahren aus Flächenmangel „eine Zahl von Arbeitsplätzen im oberen dreistelligen Bereich“ verloren habe. Die Nachbarstadt Großbottwar musste laut dem Bürgermeister Ralf Zimmermann den Verlust von rund 350 Jobs seit 2004 verschmerzen. „Der Druck, den wir haben, ist enorm“, sagt Zimmermann.

„Holzweiler Hof wird ein Thema sein“

Spekulationen, wonach das Areal am Holzweiler Hof nun in Zusammenarbeit mit der Region erneut als interkommunales Gewerbegebiet ins Spiel gebracht wird, will Zimmermann nicht kommentieren. „Ich kann weder ein Gebiet bestätigen, noch eines ausschließen, unsere Gemarkung ist groß.“ Es sei aber logisch, dass gemeinsam mit Oberstenfeld nach einer Lösung gesucht werde. „Wir liegen an einer Autobahn und haben bislang nur die Belastung, aber profitieren nicht davon. Das ist schade“, sagt Zimmermann. Der Holzweiler Hof sei „ein Thema, aber es gibt noch viele andere“, sagt auch Thomas Kiwitt, der Chefplaner der Region.

Auch westlich der A 81 befinden sich einige Kommunen schon in den Startlöchern. Zum Beispiel die Verwaltungsgemeinschaft Bönnigheim/Kirchheim/Erligheim. Dort will man offenbar eine alte, mit der Region abgestimmte Idee wieder aufleben lassen. Das Ergebnis könnte ein gemeinsamer Gewerbeschwerpunkt an der Landesstraße zwischen Bönnigheim und Lauffen (Kreis Heilbronn) sein. Eine Verlängerung des Industriegebiets Lauffener Feld ist für den Bönnigheimer Bürgermeister Kornelius Bamberger „eine sehr verfolgenswerte Idee“. Es sei für die Städte und Gemeinden im Nordkreis „sehr wohltuend, wenn wir Flagge zeigen könnten“, sagt auch der Kirchheimer Rathauschef Uwe Seibold. Wenn die Region sich nicht an der größeren Entfernung zur A 81 störe, dann gebe es zwischen Bönnigheim und Kirchheim sicher noch Potenzial, sagt Bamberger. Lange Zeit hätten er und seine Kollegen das Gefühl gehabt, man habe sie vergessen.

Übrigens: der einzige Bereich, in dem es laut der Wirtschaftsregion noch Flächenreserven gibt, ist Vaihingen/Enz. Dank des Schwerpunktes Ensingen-Süd sieht die Region bis 2020 noch ein Potenzial von 25 Hektar für Gewerbe. Dass die Region nun einen Mangel beklagt und gar von einer „Verlagerung von Gewerbeflächenpotenzial entlang der A 81 von Norden nach Süden“ spricht, bringt den Vaihinger Oberbürgermeister Gerd Maisch zum Schmunzeln. Selbst einen kleinen Streifen Gewerbegebiet entlang der Stuttgarter Straße habe die Region noch vor wenigen Jahren abgelehnt – mit der Begründung, es gebe keinen Bedarf. „Aber ich muss die Region nicht immer verstehen“, sagt Maisch.

Vom Wunschtraum zum Trauma

Bei den Bürgermeistern kleinerer Kommunen ist es inzwischen ein Volkssport geworden, über den Verband Region Stuttgart zu schimpfen. Allzu fern der Realität, so der Vorwurf, werde in Stuttgart vom Grünen Tisch aus Politik gemacht. Und der Dumme sei stets der rechtschaffene, bürgernahe Schultes, der nur ein paar Hektar mehr an Gewerbefläche ausweisen wolle. Diese pauschale Lesart tut den Planern beim Regionalverband aber Unrecht. Deren Chef Thomas Kiwitt war und ist sich nicht zu schade, seine Entscheidungen auch im betreffenden Ort – notfalls auch als Buhmann – zu rechtfertigen. Und wer, wenn nicht die Region, könnte kommunale Egoismen im Wettbewerb um Gewerbeareale überwinden?

Dennoch bleibt in jüngster Zeit der Eindruck haften, dass sich die Region mit einer ziemlich simplen Erkenntnis viel zu lange Zeit gelassen hat: Das große, interkommunale Areal zwischen Pleidelsheim und Murr bleibt ein Wunschtraum. Sie hat trotz heftiger Widerstände aus Pleidelsheim derart lange an dem Konzept festgehalten, dass daraus ein Trauma zu werden drohte. Jetzt ist sie darauf angewiesen, dass all jene Kommunen, die sie stets lapidar auf die Phantom-Gewerbeflächen verwiesen hatte, bei der erneuten Standortsuche mit der Region kooperieren. Dabei ist Kiwitt viel Fingerspitzengefühl zu wünschen. Eine erneute Bauchlandung kann sich die Region nicht leisten. Dafür stehen zu viele Arbeitsplätze auf dem Spiel.