Das Ludwigsburger Landratsamt stellt eine Studie zum Aufbau eines öffentlichen Glasfasernetzes vor – das Papier ist eine kaum verhüllte Drohung an die Telekommunikationskonzerne. Diese, sagt der Landrat Rainer Haas, hätten am Markt versagt.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Der entscheidende Satz steht auf Seite 3 von Vorlage TA_52/2017: Mit Blick auf andere Regionen in Deutschland und im europäischen Vergleich sei die „Versorgung mit Glasfaseranschlüssen im Landkreis Ludwigsburg weit unterdurchschnittlich“, schreibt das Ludwigsburger Landratsamt. Der Befund stammt aus dem Jahr 2017 und ist noch immer gültig, weshalb sich der Technische Ausschuss des Kreistags Anfang dieser Woche erneut des Themas annahm. Denn schnelles Internet, darin sind sich alle einig, ist von immenser Bedeutung für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts. Auch dafür hat das Amt eine knackige Formulierung gefunden: Hohe Bandbreiten seien inzwischen „wesentlicher Bestandteil aller Lebens- und Arbeitsbereiche“.

 

Oder eben nicht. In manchen Gegenden und Kommunen geht fast nichts, etwa in Großbottwar oder Kirchheim am Neckar, selbst manche Gewerbegebiete sind abgeschnitten von der schönen neuen Digitalwelt. Mit deftigen Worten kritisierte Haas deswegen im Ausschuss Telekommunikationskonzerne wie Telekom, Vodafone oder O2, der Landrat sprach von „Marktversagen“. Der Hintergrund ist klar: Die Branche verlegt Glasfaser nur, wo es lukrativ ist, und je ländlicher es wird, umso weniger lukrativ wird es. Gerade im Norden des Landkreises existieren viele weiße Flecken.

Aus diesem Grund hat die Kreisverwaltung jetzt die Grobplanung für den Aufbau eines Backbone-Netzes vorgestellt, was einer kaum verhüllten Drohung an die Konzerne gleichkommt. Backbone bedeutet übersetzt Rückgrat und bezeichnet in der Telekommunikation ein Basisnetz. Das Ziel ist, jede Kommune im Landkreis an dieses Basisnetz anzuschließen und mit mindestens zwei Anschlusspunkten zu versorgen. Mehr als 250 Kilometer Glasfaser müssten dafür neu verlegt werden, rund 42 Millionen Euro würde das Ganze kosten.

Die Telekom setzt auf veraltete Technik

Beauftragt wurde die Grobplanung vom Stuttgarter Regionalverband und allen Landkreisen der Region, denn diese wollen beim Breitbandausbau eng zusammenarbeiten – auch, um gemeinsam an möglichst viel Fördergeld zu gelangen. Beschlossen ist noch nichts, und dass der Kreis Ludwigsburg und seine Kommunen tatsächlich 42 Millionen Euro in die Hand nehmen, ist eher unwahrscheinlich. Das Backbone-Netz soll auch dazu dienen, Druck auf den Markt auszuüben. „Wir haben unsere Lehren gezogen und werden jetzt selbst tätig“, so Haas. Aber man sei gesprächsbereit und willens, Kooperationen einzugehen. Allein: „Mit Absichtserklärungen werden wir uns nicht mehr zufriedengeben.“ Sollte es zu Kooperationen kommen, müsse vertraglich fixiert werden, dass das jeweilige Unternehmen flächendeckend Glasfaser verbaut.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Konzerne manchmal doch bereit sind, auch in weniger lukrativen Regionen zu investieren, wenn Konkurrenz droht – und ein Backbone-Netz wäre neue Konkurrenz. Das Problem aber ist, dass gerade die Telekom vielerorts auf Vectoring-Technik setzt, also eine Kombination aus Glasfaser- und Kupferkabeln. Das ermöglicht einigermaßen schnelles Internet, aber die Technik gilt als veraltet, und die Leistung ist limitiert. Reine Glasfaser erlaubt einen dramatisch höheren Datendurchsatz. „Vectoring wird über kurz oder lang an Grenzen stoßen“, sagt Haas. „Deswegen müssen wir heute Vorsorge dafür leisten, dass es dann nicht zu einem Zusammenbruch der Netze kommt.“ Heißt: Der Kreis will kein Kupfer, er will Glasfaser.

Zuerst sollen Schulen, Krankenhäuser und Gewerbegebiete profitieren

Sollten sich die Konzerne in den anstehenden Gesprächen nicht bewegen, wird das Landratsamt die Planung forcieren und detaillierter ausarbeiten – denn es wäre völlig sinnlos, tatsächlich alle Kommunen ans Backbone anzuschließen. Manche sind heute schon bestens versorgt, Kornwestheim etwa. Den schlecht versorgten Städten und Gemeinden aber bietet das Basisnetz eine gute Möglichkeit, von den Anschlusspunkten aus Kabel in die Verteilerkästen zu verästeln und flächendeckend extrem schnelles Internet aufzubauen. Schulen, Krankenhäuser und Gewerbegebiete sollen gar direkt mit dem Backbone verknüpft werden.

Einen Zeitplan dafür gibt es nicht. In einem ersten Schritt muss entschieden werden, ob für das Großprojekt ein eigener Zweckverband oder eine Anstalt öffentlichen Rechts ins Leben gerufen werden soll, also quasi eine Breitbandorganisation, die den Ausbau organisiert. Im Mai steht das Thema wieder auf der Tagesordnung.