Kreisbauerntag in Möglingen Landwirte fühlen sich von allen Seiten in die Zange genommen

Großer Andrang beim Kreisbauerntag im Möglinger Bürgerhaus. Die Bauern fordern, dass die heimische Landwirtschaft im Vordergrund stehen müsse. Foto: Werner Kuhnle

Zunehmende Bürokratie, Regelungen, die einander teilweise widersprechen und der wachsende Flächenfraß machen den Bauern auch bei uns zu schaffen. Ein Bericht vom Kreisbauerntag in Möglingen (Kreis Ludwigsburg).

Ludwigsburg: Sabine Armbruster (sar)

„Uns treibt die pure Verzweiflung. Wir haben keine Planungssicherheit, keine Perspektive.“ Florian Mayer aus dem Ludwigsburger Stadtteil Neckarweihingen wird kurz vor Beginn des Bauerntags des Bauernverbands Heilbronn-Ludwigsburg deutlich. „Wir blicken bei den ganzen Regelungen nicht mehr durch. Und die, die uns kontrollieren sollen, übrigens auch nicht“, so der Landwirt.

 

David Jung, Landwirt aus Jagsthausen, sagt, die Lage sei angespannt, und das Thema Agrardiesel sei da nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Auflagen in Sachen Düngen, Aussaat, Bodenbearbeitung . . . Und dann sei auch noch die sogenannte Erosionskulisse angepasst worden – „und Deutschland macht da mal wieder mehr als der Rest der EU“. Stefan Renz, der in Ludwigsburg-Oßweil einen Mischbetrieb mit Ackerbau, Bullenmast und Pensionspferden leitet, ist besonders über die Vorschrift erbost, vier Prozent der Fläche stilllegen zu müssen. „Wir werden sowieso von allen Seiten in die Zange genommen. Die Stadtbahn soll über den Acker führen, wahrscheinlich kommen dann links und rechts noch Baugebiete, damit sich das Ganze lohnt, und wenn irgendwo anders Baugebiete entstehen, bleibt als Ausgleichsfläche ja auch nur der Acker“, schimpft er.

Vorschriften oft weder umsetzbar noch sinnvoll

Ein weiteres Problem, so Renz, seien die Zielkonflikte. Bei jeder Auflage gebe es Dinge, die andere Maßnahmen wieder zunichte machten. So sollten beispielsweise Pflanzenschutzmittel reduziert werden, was bedeute, dass man einen Rübenacker wegen des Unkrauts hacken müsse, das dürfe man aber nur zu vorgeschriebenen Zeiten. „Und den Pflug wollen sie uns wegen der Bodenerosion komplett verbieten.“ Unterm Strich, sagt Renz, „entstehen dadurch nur Kosten, wobei der Sinn und Erfolg der Maßnahme in keinem Verhältnis dazu stehen.“

„Ob das, was vorgeschrieben wird, umsetzbar und sinnvoll ist, interessiert die Politiker wenig“, sagt Florian Mayer. Das sei ein bisschen wie bei dem Heizungsgesetz, wo man auf Wärmepumpen setze, ohne zu wissen, woher der ganze Strom kommen solle und in welchen Gebäuden das überhaupt funktionieren würde.

Oft auch mangelnde Wertschätzung bei der Bevölkerung

Bei Landrat Dietmar Allgaier zumindest scheinen die Sorgen der Landwirte angekommen zu sein. Deren jüngste Proteste hätten die Herausforderungen deutlich gemacht, die seit Jahren stetig zunähmen. Die geplanten Kürzungen beim Agrardiesel seien für die Landwirte „ein Schlag ins Gesicht“, sagte er. Aber auch bei der Bevölkerung fehle die Wertschätzung für die gepflegte Kulturlandschaft und nach deutschen Standards erzeugten Lebensmittel. Er hoffe, dass der Mut, sich der Politik entgegenzustellen, zu einem Dialog führe, „bei dem die Bauern mit am Tisch sitzen“, sagte er.

„Schön, dass Sie erkennen, dass die Landwirtschaft das Rückgrat des ländlichen Raums ist“, lobte Stefan Kerner, der Vorsitzende des Bauernverbands Heilbronn- Ludwigsburg. An seine Kolleginnen und Kollegen gewandt sagte er, der Zusammenhalt in der Landwirtschaft sei derzeit sehr gut, das sei das Positive an der Krise und auch eine Chance. Denn derzeit sei es eigentlich nicht mehr möglich, Landwirtschaft so zu betreiben, wie man es gelernt habe. „Es macht keinen Spaß mehr, auf den Acker zu fahren, wenn das Wetter passt, weil wir uns immer erst fragen müssen, ob wir das zu diesem Zeitpunkt auch dürfen.“

Schon jetzt reicht die Fläche für die Ernährung in Deutschland nicht aus

Andererseits erkannte er in den Bauernprotesten auch eine Gefahr des Kippens. Deshalb hatte er für die versammelten Landwirte auch mahnende Worte: „Bleiben Sie vernünftig! Wir Landwirte gehören zur demokratischen Mitte. Wir lassen uns weder nach rechts noch nach links zersplittern. Lassen Sie nicht zu, dass Trittbrettfahrer die Proteste für ihre Zwecke nutzen“, rief er unter Applaus. Zum Bauerntag waren mehrere Abgeordnete aus Land und Bund gekommen, auch von den Linken und der AfD.

Wasser auf ihre Mühlen bekamen die Landwirte auch von dem Agrar-Professor Peter Breunig von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Der stellte die Bedeutung der deutschen Landwirtschaft in den globalen Zusammenhang und die Regelung, dass gewisse Flächen eine Zeit lang brachliegen müssen, in Frage. Auch vor der Hintergrund, dass die deutsche Landwirtschaft schon heute nicht mehr die eigene Bevölkerung ernähren könne. „Dafür bräuchte man 19 Millionen Hektar“, sagte Breunig. „Wir haben aber nur 16,7 Millionen.“

GAP
 Die Gemeinsame Agrarpolitik, kurz GAP, ist aus Sicht vieler Bauern ein Problem. Sie definiert Regeln für die Landwirtschaft in den Ländern der Europäischen Union. Doch die Rahmenbedingungen sind je nach Land anders, sodass deutsche Landwirte unter zunehmendem Wettbewerbsdruck stehen.

GLÖZ
 Im Rahmen  der GAP Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gibt es insgesamt neun Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen (GLÖZ). Dazu gehört auch die Teilstilllegung bei Betrieben mit mehr als 10 Hektar Fläche. Der Bauernverband hat sich vergeblich für eine Ausnahme eingesetzt.

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