Das Auftreten der EU angesichts des Krieges im Nahen Osten ist blamabel. Streit gibt es nicht nur zwischen den Mitgliedsstaaten, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Die EU streitet sich, die USA treffen Entscheidungen. Der Krieg im Nahen Osten fördert die Unterschiede zwischen einer Weltmacht und einem Möchtegern-Global-Player schonungslos zutage. Natürlich wäre es vermessen anzunehmen, dass sich Brüssel bei der Vermittlung in diesem Konflikt auf einer Augenhöhe mit Washington bewegen könnte. Zu erwarten wäre allerdings, dass sich die 27-EU-Staaten zwei Wochen nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel wenigsten zu einer gemeinsamen Position durchringen können - aber nicht einmal das gelingt.

 

Die EU bietet ein Bild des Jammers

Die Außenminister boten bei ihrem Treffen in Luxemburg Anfang dieser Woche ein Bild des Jammers. Und nichts spricht dafür, dass die Staats- und Regierungschefs beim nun folgenden Gipfel in Brüssel diesen Eindruck von Europa grundlegend widerlegen werden. Den öffentlichen Streit über eine humanitäre Waffenruhe in Gaza hätten sich die EU-Außenminister mit einem Mindestmaß an diplomatischer Weitsicht ohnehin sparen können, denn die Entscheidung darüber ist längst in den USA gefallen. Eine solche Waffenruhe würde der radikalislamischen Hamas die Fähigkeit geben, sich auszuruhen, nachzurüsten und neue Terrorangriffe gegen Israel vorzubereiten, heißt es aus Washington.

Dabei ist die teils sehr konträre Haltung der einzelnen EU-Staaten gegenüber Israel aufgrund der eigenen Landesgeschichte durchaus verständlich. Nicht alle Regierungen wollen die rigorose Position Deutschlands übernehmen, wo die innere Sicherheit Israels nach den Erfahrungen des Holocaust zum erklärten Teil der Staatsräson wurde. Auf der anderen Seite hegen etwa die Iren große Sympathien mit den Palästinensern. Deren Kampf für einen Staat erinnert sie an ihren eigenen blutigen Aufstand gegen die britischen Besatzer.

Desolates Auftreten des Spitzenpersonals

Das desolate Auftreten des EU-Spitzenpersonals ist allerdings kaum aus der europäischen Geschichte heraus zu erklären. Die Akteure sind in diesem Fall eher getrieben von Machtspielchen und persönlichen Animositäten. Befördert wird die Konkurrenz von institutionellen Rivalitäten, die im Aufbau der EU selbst angelegt sind. Nach außen in der Welt vertreten wird die Union auf dem Papier von Charles Michel, dem Präsidenten des Europäischen Rates, der für die 27 Regierungschefs spricht. Das Sprachrohr der Außenminister ist der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

Machtspielchen der EU-Politiker

In den Vordergrund drängelt sich allerdings immer wieder Ursula von der Leyen, als EU-Kommissionspräsidentin eigentlich nur Chefin einer Behörde. Sie kann allerdings die Außenpolitik der EU maßgeblich bestimmen, indem die Kommission etwa Handelssanktionen erlässt oder humanitäre Nothilfe gewährt. Zudem überrumpelt die Deutsche ihre internen Rivalen immer wieder mit einer wohl gewählten Reisediplomatie. Sie war es, die nach dem Hamas-Überfall sofort ins Flugzeug, jene Orte besuchte, wo die Terroristen ihre sadistischen Exzesse auslebten und angesichts des Grauens Israel der europäischen Solidarität versicherte. Charles Michel blieb nur übrig, die Kommissionschefin aus der Ferne mit giftigen Tweets daran zu erinnern, dass sie damit ihre Kompetenzen überschritten habe.

Zum Problem wird inzwischen, dass die Vielstimmigkeit der EU und das egozentrische Gerangel ihrer Protagonisten nicht nur dem Ansehen der EU schweren Schaden zufügen. Erschwert wird dadurch die Suche nach Lösungswegen in der aktuellen Krise im Nahen Osten. Gemeinsames Ziel muss es sein, die Ausweitung des Krieges zu verhindern. Das ist nicht nur im Interesse der Menschen in der Region. Gelingt dies nicht, droht die nächste Flüchtlingswelle in Richtung Europa.