Kriminalität im Südwesten Bankräuber sterben offenbar aus
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Banküberfälle in Baden-Württemberg drastisch gesunken. Vor allem Profibanden suchen ihr Glück in anderen Bereichen.
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Banküberfälle in Baden-Württemberg drastisch gesunken. Vor allem Profibanden suchen ihr Glück in anderen Bereichen.
Stuttgart - Er gilt als einer der ältesten und letzten Serienbankräuber in Baden-Württemberg: Am 24. Oktober 2019 verurteilte das Hechinger Landgericht einen 80-jährigen Mann zu sieben Jahren Haft. Mehr als zehn Jahre hatte der bis dahin unbescholtene Rentner immer wieder Banken im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb überfallen. Mit Bombenattrappen versetzte er die Bankangestellten in Angst und Schrecken und erbeutete insgesamt 370 000 Euro. Seinen weiteren Ruhestand verbringt er nun in der Seniorenhaftanstalt in Singen.
Werden Bankräuber immer älter? Zumindest scheint der Nachwuchs zu fehlen – auch wenn dies in diesem Zusammenhang salopp klingt. „Der klassische Bankraub hat praktisch ausgedient“, formulierte es der ehemalige Landesjustizminister Guido Wolf (CDU) bereits vor zwei Jahren. Die Kriminalstatistik belegt die Aussage. Die Schwankungen von Jahr zu Jahr sind groß, doch die Tendenz bei der Zahl der erfassten Überfälle auf Banken, Sparkassen und Postbankfilialen im Land ist eindeutig. Wurden im Jahr 2001 noch 85, ein Jahr später 73 und 2003 sogar 122 Überfälle vom Landeskriminalamt (LKA) gezählt, waren es 2020 „nur“ noch neun.
„Insgesamt betrachtet entwickelten sich die Fallzahlen in den vergangenen 20 Jahren vom hohen zweistelligen auf mittlerweile niedrigen bis hin zu einstelligem Niveau“, sagt eine Sprecherin des LKA in Stuttgart. Das heißt: Zu Anfang der 2000er Jahre waren im Land ein bis zwei Banküberfälle pro Woche die Regel, zuletzt war es nicht einmal mehr einer im Monat.
Baden-Württemberg ist in guter Gesellschaft. „Rückläufige Fallzahlen von Banküberfällen sind nicht nur in Deutschland, sondern zum Beispiel auch in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien zu verzeichnen“, sagt eine Sprecherin des LKA in München. Auch in Bayern sei die Zahl der Banküberfälle seit der Wiedervereinigung um 95 Prozent gesunken.
Als Gründe für den Rückgang sieht die Polizei unter anderem den verbesserten Kampf gegen die Geldwäsche. Es sei immer schwieriger, größere Bargeldbeträge unauffällig in den Verkehr zu bringen. Zudem hätten die Banken viel in ihre Sicherheitsvorkehrungen investiert. Die Alarmketten seien verbessert, die Bargeldbeträge in den Kassenräumen reduziert worden. Durch die Schließung vieler kleiner Bankfilialen seien viele Tatmöglichkeiten aber auch weggefallen. So gab es 1995 noch fast 70 000 Bankfilialen in Deutschland, Ende des vergangenen Jahres waren es nach den Angaben der Bundesbank nur noch 24 000.
Den kräftigen Rückgang hat auch Oliver Klempa registriert. Der Referent für den Bereich Betrieb beim baden-württembergischen Sparkassenverband ist seit vielen Jahren für die Sicherheit der Filialen zuständig. Den klassischen Serienbankräuber gebe es kaum noch, sagt Klempa. Den Profis sei das Risiko, erwischt zu werden, offenbar zu groß. Sie hätten sich auf andere Deliktbereiche spezialisiert. Ihm bereitet jedoch die zunehmende Zahl von gesprengten Geldautomaten Kopfzerbrechen. Es handele sich um eine relativ neue Entwicklung. „Das nimmt seit fünf bis sechs Jahren stark zu.“
Auf brachiale Art, mit Gasgemischen, Benzin und Sprengstoff, versuchten die oft bandenmäßig organisierten Täter Kasse zu machen. So wurden 2016 schon 22 Geldautomaten auf diese Weise angegriffen, zuletzt waren es 38. Nicht immer gelangen die Täter ans Ziel, doch wenn sie erfolgreich sind, sind die erbeuteten Beträge beträchtlich. So belief sich die Gesamtschadenssumme im Jahr 2020 auf 1,25 Millionen Euro. Hinzu kommen häufig größere Gebäudeschäden. „Dass die Häuser über den Banken oft bewohnt sind, ist den Tätern egal“, sagt Klempa.
Bei den meisten Bankräubern handele es sich heute hingegen um verzweifelte und oft schlecht vorbereitete Täter. Ungefährlicher als die Profis seien sie deshalb aber nicht. Für die Mitarbeiter seien Überfälle ohnehin traumatisch. „Da passiert immer etwas.“ Mit psychologischer Betreuung versuchen die Banken, den Betroffenen zu helfen. Das gelingt nicht immer. Er könne seit zehn Jahren nicht mehr arbeiten, hatte ein Zeuge beim Hechinger Prozess berichtet. Was sein Auftreten für die Bankangestellten bedeute, habe er gar nicht bedacht, räumte der 80-jährige Bankräuber später ein.