Kriminalität in Böblingen Ein Gangsterleben wie im Film

Auf Kuba führte der Angeklagte zeitweise ein schönes Leben. Doch von Dauer war es nicht. Foto: dpa/Nick Kaiser

Falsche Freunde, krumme Geschäfte: Ein Drogendealer aus dem Kreis Böblingen hat vor dem Landgericht ein Geständnis abgelegt – und seine Lebensgeschichte erzählt. Das bewahrt ihn nicht vor einer hohen Haftstrafe.

Am zweiten Tag des Prozesses wegen schwunghaften Drogenhandels mit Marihuana und Kokain im Raum Böblingen mit Hilfe von Kryptohandys hat der 45-jährige Angeklagte ein umfassendes Geständnis abgelegt und dies mit einer extremen Zwangslage begründet. Über seine Verteidigerin Vanessa Höch ließ er erklären, dass im Rahmen eines anderen Strafverfahrens gegen seinen Bruder und ihn eine große Menge Marihuana beschlagnahmt worden sei. Daher habe er Schulden bei „einem bestimmten Personenkreis“ gehabt. Diese Personen hätten die Rückstände nachdrücklich eingefordert und dafür auch seine minderjährige Tochter unter Druck gesetzt.

 

Corona vereitelte eine Flucht

Eine Flucht ins Ausland sei ihm 2020 nicht möglich gewesen, da die Flughäfen wegen der Corona-Pandemie geschlossen gewesen seien. Er sei in den Drogenhandel eingestiegen, um mit dem Geld seine Schulden zu begleichen. „Ich weiß, dass dies meine Taten weder rechtfertigt noch entschuldigt“, erklärte die Anwältin im Namen des Angeklagten.

Im Wesentlichen räumte der 45-Jährige die zwölf Anklagepunkte des Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ein. Laut Anklage soll der Mann im Jahr 2020 rund 150 Kilogramm Marihuana und vier Kilogramm Kokain im Raum Böblingen ge- und verkauft haben. Der 45-Jährige räumte ein, die Geschäfte seien mittels Kryptohandys und den verschlüsselten Instant-Messenger Sky-ECC abgewickelt worden. Schon bei der ersten Tat im April 2020 habe er rund 80 Kilogramm Marihuana in einer Tiefgarage in Böblingen übernommen, zehn Kilogramm davon habe er unmittelbar danach weiterverkauft.

Dem Geständnis vorausgegangen waren Gespräche zwischen Richtern, Staatsanwaltschaft und Verteidigung über eine Prozessverständigung. Eine solche kam aber nicht zustande. Die Staatsanwaltschaft wollte nicht von ihrer Forderung nach einer Haftstrafe von mehr als zehn Jahren abrücken, was der Verteidigung als zu hoch erschien. Nach dem Angeklagten war mit internationalem und europäischem Haftbefehl gesucht worden. Ende März dieses Jahres war er in Österreich festgenommen worden.

Fünf Kinder von fünf Frauen

Ausführlich hatte der 45-Jährige zuvor den Richtern von seinem Leben erzählt, in dem deutlich mehr schlecht als gut gelaufen war. Die Eltern des Mannes hatten sich getrennt, als er in der fünften Klasse war, da die Mutter an Multipler Sklerose erkrankt war. Er habe dann bei der Mutter gelebt, deren Krankheit aber ausgenutzt – und deshalb viel unterwegs gewesen und in schlechte Kreise geraten. Aus diesem Grund habe er anschließend zum Vater gehen müssen, der jedoch kurz darauf mit seiner neuen Frau nach Rumänien umgezogen sei. „Dann habe ich mich beim Jugendamt gemeldet und habe in einer betreuten Wohngruppe gelebt“, führte der Angeklagte weiter aus.

Nach seinem Hauptschulabschluss habe er eine Maler- und Lackiererlehre abgebrochen und sei nach Rumänien gegangen, wo er wegen eines schweren Autounfalls monatelang im Krankenhaus gelegen sei. Zwischen 1997 und 2000 sei er viel zwischen Deutschland und Rumänien gependelt. 2002 sei sein erstes Kind auf die Welt gekommen. Insgesamt habe er fünf Kinder von fünf Frauen. Zwischen 2001 und 2014 hat er sich mit einer Boden- und Parkettfirma selbstständig gemacht, aus der jedoch Schulden in Höhe von 30 000 Euro resultierten.

Schönes Leben auf Kuba

Nach einem Gefängnisaufenthalt sei er 2016 nach Kuba gegangen, wo die Mutter eines Kindes von ihm wohne. Bis 2020 habe er rund acht Monate pro Jahr auf Kuba von der vermögenden Familie seiner Frau gelebt und sei immer nur für wenige Monate nach Böblingen gekommen, wo sein Bruder gewohnt habe. „In Deutschland hat mich nicht viel gehalten, ich wollte nicht zurück in mein altes Umfeld“, erklärte der Angeklagte.

Gelebt habe er in der Zeit vom Erbe seines Vaters, der den drei Söhnen insgesamt 105 000 Euro vererbt hatte. Wegen der Corona-Pandemie habe er in Kuba jedoch keine Perspektive mehr gesehen und auch in Rumänien wirtschaftlich nicht Fuß gefasst, sodass er Ende 2021 nach Österreich gezogen sei und dort als Bauhelfer gearbeitet habe. Die Schulden von 30 000 Euro habe er durch eine Privatinsolvenz abgetragen. Allerdings gehe es ihm gesundheitlich schlecht. Er leide unter nächtlichen Atemaussetzern und damit verbundenen Panikattacken.

Der Prozess wird am 18. Oktober fortgesetzt, dann sollen auch die Plädoyers gehalten und das Urteil verkündet werden.

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