Früher gab es nicht nur Chandler und Dashiell Hammett, sondern in jeder Krimispielart, vom Landhausrätsel bis zum Korrupte-Stadt-Thriller, zweit-, dritt- und viertklassige Produkte. Weil heute viel mehr Krimis verlegt werden, drängt natürlich auch in absoluten Zahlen mehr Mieses auf den Markt. Mit einer Liste exzellenter aktueller Autoren wie Adrian McKinty, Fred Vargas oder Nii Parkes könnte man aber auch die These unterfüttern, heutzutage erschienen mehr interessante, relevante, sprachlich ausgefeilte Krimis aus mehr Ländern als je zuvor.

Die Verlage verlangen Profit jedes Einzeltitels


Gerade hat der Verein Stuttgarter Kriminächte die Empfänger des Stuttgarter Krimipreises 2011 bekanntgegeben, Paulus Hochgatterer mit seinem Roman "Das Matratzenhaus", Thomas Willmann mit "Das finstere Tal" und Birgit Hummler mit "Stahlbeton". Zumindest zwei dieser drei Romane lassen sich nicht den gängigen Mustern zuordnen, aus denen Joachim Käppner fast schon eine Krimi-Monokultur ableiten will. Aber all diese Einzelbeispiele sind eine ebenso große Schummelei wie jede Generalanklage. Ja, es gibt eine Menge sehr lesenswerter Krimis, nur nicht auf den rabattträchtigen Großeinkaufsstapeln neben der Buchhandelskasse. Vielleicht würden das mehr Leser merken, wenn diese Titel häufiger, kundiger und erhellender (also nicht in Form von Plotnachbeterei) rezensiert würden. Aber es gibt durchaus Anlass zum Verdacht, womit wir wieder bei Joe Gores wären, dass gerade Verdrängungsmechanismen am Werk sind. Viele Genreautoren von Gestern sind in Krimiboomzeiten allenfalls an den Rändern des Marktes platzierbar und werden von kleinen Verlagen betreut. Das könnte zum Beispiel daran liegen, dass ihnen jene Duftmarken vermeintlicher Gedankenschwere und kritischer Gesellschaftsbetrachtung fehlen, die Mankell so populär gemacht hat.

Aber weil der Markt so groß ist und immer noch ungeduldig nach neuen Publikumslieblingen sucht, fällt es zunächst gar nicht auf, wenn Autoren nach einem oder ein paar Titeln wieder in der Versenkung verschwinden. Unüberschaubar viele Neuerscheinungen, auch vorzügliche, drängen nach. Und manchmal taucht ein für den deutschen Markt verloren geglaubter Könner bei einem anderen Verlag wieder auf, wie Richard Stark alias Donald E. Westlake, einst bei Ullstein, nun bei Zsolnay.

Aber die großen Buchhandelsketten lenken die Neugierigen immer forscher auf die immer gleichen Autoren beziehungsweise auf die Mordmode-der-Saison-Schmöker. Und die Verlage bauen Autoren nicht mehr geduldig mitttels Querfinanzierung auf, sondern verlangen Profit jedes Einzeltitels. Man wird das ungute Gefühl nicht los, nach amerikanischem Vorbild würden auch bei uns bald Krimis ohne großen Autorenmarkennamen oder ohne extravagantes Werbebudget gar keine Chance mehr bekommen, in den Filialen der Buchhandelsketten aufzutauchen. In dieser Situation ist die Klage, es gebe fast nur noch dumme und auf schalen Formeln beruhende Krimis, besonders ärgerlich. Sie bestärkt die Leser in dem aggressiv erzeugten Eindruck, der Kram der aktuellen Großwerbeoffensive sei eben nun mal das, was der Krimimarkt zu bieten habe.