Islamabad warnt den Nachbarn Indien vor spektakulären Kommandoaktionen nach dem Vorbild der USA und droht mit einem Gegenschlag.  

Islamabad - Der Tod Osama bin Ladens in Pakistan droht sich in eine handfeste südasiatische Krise zu verwandeln. Ohne den großen Nachbarn Indien namentlich zu erwähnen, warnte Salman Bashir, Staatssekretär in Pakistans Außenministerium, vor einer "schrecklichen Katastrophe", falls es in der Region zu einer Wiederholung der Sorte von Kommandoaktion komme, bei der Osama erschossen wurde. Die Wortwahl ist diplomatische Diktion für die Drohung mit einem atomaren Gegenschlag und entspricht Pakistans Nukleardoktrin. Danach will das Land selbst eine konventionellen Attacke mit einem Atomschlag beantworten.

 

Islamabad antwortet mit seinen massiven Drohungen auf Indiens Reaktionen nach dem Tod bin Ladens. Delhi überreichte zunächst eine Liste mit den Namen von Terroristen die sich nach Indiens Überzeugung in Pakistan aufhalten, und verlangte ihre Auslieferung. Unter anderem werden die Flugzeugentführer genannt, die Ende 1999 eine indische Maschine von Nepal ins südafghanische Kandahar entführten und später Unterschlupf in Pakistan fanden. Prominentester Name ist der Mafiaboss Dawood Ibrahim, den Indien beschuldigt, bei Terroraktionen als Finanzier zu agieren. Die Forderung nach der Auslieferung der genannten Personen wurde von General V.K. Singh, dem Chef der indischen Streitkräfte, mit einer unverblümten Drohung verstärkt: "Wir sind ebenfalls zu einem Kommandounternehmen wie dem der USA in der Lage." Dabei war ein US-Kommando mit Hubschraubern in den Luftraum Pakistans eingedrungen. Der Zwischenfall weckte Zweifel an der Verteidigungsfähigkeit der pakistanischen Streitkräfte. Sie reagierten erst auf die unbekannten Hubschrauber im eigenen Luftraum, nachdem einer der Helikopter notgelandet war und explodierte.

Die Aktion belastet nicht nur das Verhältnis zwischen den Nachbarn, sondern auch die Verbindung zwischen Pakistan und den USA. Pakistans Armeechef warnte Washington vor weiteren Verletzungen der "nationalen Souveränität dieser Art". Dennoch drohte General Richard Mills, bis vor kurzem Kommandeur von US-Truppen in Afghanistans Süden, am Freitag: "Wenn ich Mullah Omar wäre, würde ich mir Sorgen machen. Wenn wir jemanden aufs Korn nehmen, sind wir erst zufrieden, wenn unsere Mission erfüllt ist." Der Führer der radikalislamischen Talibanmilizen Afghanistans wird in Pakistans Hafenstadt Karatschi oder dem Grenzort Quetta vermutet. Das Verhältnis zu Washington ist so gespannt, dass Kayani ankündigte, die Zahl der 245 US-Militärberater zu halbieren, die in Pakistan stationiert sind. Außerdem ordnete Islamabad die Räumung des US-Stützpunkt Shamsi in der Provinz Beluchistan an, von dem US-Drohnen starteten.