Krise vor Somalias Küste Die Piraten sind zurück

Die EU-Mission „Atalanta“ bekämpfte schon 2009 somalische Piraten (Archivbild). Jetzt sind wieder Freibeuter am Golf von Aden aktiv. Foto: dpa/Carlos Dias

Nach jemenitischen Rebellen bedrohen nun auch wieder Freibeuter den Welthandel am Horn von Afrika. Was wollen die beiden Gruppen – und welche Rolle spielen China und Russland?

Die Gefahr für die internationale Schifffahrt am Horn von Afrika wächst weiter. Zu dem Beschuss jemenitischer Huthi-Rebellen auf Frachter und Tanker im Golf von Aden und im Roten Meer kommen immer häufiger Angriffe von Piraten. Die Gewässer zwischen Jemen und Somalia werden weniger überwacht, seit internationale Kriegsschiffe im Roten Meer Transporter bei der Zufahrt zum Suez-Kanal vor den Huthis zu schützen. Die Piraten profitieren davon. Seit November haben sie mehr Handelsschiffe vor Somalia gekapert als im ganzen Jahr zuvor.

 

Etliche Jahre lang sorgten Kriegsschiffe der EU und anderer Mächte am Horn von Afrika für Ruhe. Zuvor hatten somalische Piraten bei Hunderten Angriffen in der Region Handelsschiffe gekapert und ließen sie erst gegen hohe Lösegelder weiterfahren; nach Schätzung der Weltbank verursachte die Piraterie damals einen wirtschaftlichen Schaden von 18 Milliarden Dollar. Die EU-Marinemission „Atalanta“ und Kriegsschiffe anderer Länder drängten die Piraten zurück. Zwischen 2017 und 2023 zählte das Fachmagazin „Maritime Executive“ nur fünf Versuche, Schiffe zu entführen. Vier davon scheiterten.

Schwere Waffen an Bord

Jetzt sind die Piraten wieder da. Seit November gab es mehr als 20 Versuche, Handelsschiffe vor Somalia zu kapern. Einige waren erfolgreich, bei anderen wurden die Piraten von Kriegsschiffen vertrieben. Soldaten der indischen Kriegsmarine stürmten vorige Woche den gekaperten Frachter „Ruen“, nahmen 35 somalische Piraten gefangen und lieferten sie in Mumbai ab, wo sie vor Gericht gestellt werden sollen.

Rund 50 andere somalische Freibeuter brachten den Frachter „Abdullah“ aus Bangladesch mit 23 Besatzungsmitgliedern in ihre Gewalt und lenkten ihn auf einen Ankerplatz vor der somalischen Küste. Dort bauten sie schwere Waffen auf dem Deck des Schiffes auf, wie Fotos der Nachrichten-Seite „The Daily Somalia“ zeigten. Die Piraten wappnen sich für einen Angriff ausländischer Kriegsschiffe, die in der Nähe kreuzen.

Warum die Piraterie wieder zunimmt

Die Piraterie vor Somalia nimmt nach einer Analyse der auf Sicherheitspolitik spezialisierten britischen Denkfabrik Rusi wieder zu, weil eine jahrelange Dürre in Somalia und die Überfischung der Küstengewässer viele Menschen ins Elend getrieben haben. Zudem gibt es weniger internationale Kriegsschiffe in der Region. Einige wurden abgezogen, weil es so gut wie keine Angriffe von Piraten mehr gab. Andere wurden ins Rote Meer beordert, um dort bei der Abwehr des Huthi-Beschusses zu helfen.

Das Piratengebiet vor Somalia und die von den Huthis bedrohten Meeresgegenden liegen eng beieinander. Gegen die Freibeuter ist die somalische Regierung machtlos; viele von ihnen nutzen Häfen in Puntland, einer autonomen Region am Horn von Afrika, in der die Zentralbehörden in Mogadischu nicht viel ausrichten können. Die Küste Puntlands am Golf von Aden, der Einfahrt zum Roten Meer, ist wiederum nur etwa 200 Kilometer von der Südküste Jemens entfernt, wo die Huthis herrschen. Sie wollen allein diese Woche vier Schiffe im Golf von Aden und im Roten Meer mit Raketen und Drohnen beschossen haben.

Huthis sind unberechenbar

Die jemenitischen Rebellen rechtfertigen die Angriffe als Unterstützung für die Hamas im Krieg gegen Israel in Gaza. Sie wollen auch den Nachbarstaat Saudi-Arabien ins Visier nehmen, falls die Saudis die Luftangriffe der USA und Großbritanniens auf ihre Stellungen im Jemen unterstützen sollten.

Selbst für verbündete Staaten bleiben die vom Iran ausgerüsteten Huthis unberechenbar. Trotz einer Vereinbarung mit Russland und China, nach der die Schiffe dieser beiden Länder geschont werden sollen, beschossen die Rebellen vor wenigen Tagen einen chinesischen Öltanker im Roten Meer.

China und Russland mischen mit

China und Russland wollen die Huthis als Partner gewinnen, um den Einfluss der USA und des Westens im Nahen Osten zu schwächen. China ist besonders an der Sicherheit der Schifffahrt in der Region interessiert, weil es viel Öl aus dem arabischen Raum bezieht und Exporte nach Europa durch den Suez-Kanal schickt. Die Vereinbarung der Huthis mit Peking und Moskau sei „ein Zeichen tektonischer Verschiebungen“ in der Weltgegend, sagt Abdulghani al-Iryani vom Sana’a-Zentrum für Strategische Studien.

Anders als die Huthis verfolgen die somalischen Piraten keine politischen Ziele. Ihnen geht es ums Geld und um die Chance, die sich aus dem Konflikt des Westens mit den Huthis für sie ergibt. Wenn nicht bald etwas getan werde, könnte die Piraterie wieder so schlimm werden wie vor zehn Jahren, sagte der somalische Präsident Hassan Scheich Mohamud der Nachrichtenagentur Reuters.

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