Kritische Infrastruktur Im Kreis Esslingen Wie der Rekordkrankenstand 2022 den Kreis Esslingen belastete

Der Trend scheint gebrochen: Derzeit sinkt die Zahl der Krankmeldungen laut Klinikum Esslingen sowie Stadt- und Kreisverwaltung. Foto: Verbraucherzentrale NRW

Mehr Krankmeldungen als im vergangenen Jahr gab es bundesweit seit mindestens 25 Jahren nicht. Eine belastende Situation für die Stadt Esslingen und den Kreis.

Die Zahl der Krankmeldungen war im vergangenen Jahr auf Rekordniveau. Laut der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) erreichte sie den höchsten Stand seit Beginn der Auswertung im Jahr 1997. Auf die Mitglieder der DAK gerechnet, waren an jedem Tag des Jahres 47 von 1000 Beschäftigten krankgeschrieben. Das fehlende Personal stellte Landratsamt, Krankenhäuser und die Esslinger Stadtverwaltung vor große Herausforderungen.

 

Stadtverwaltung mit Negativrekord

In der Kreisverwaltung lag die Fehlzeitquote laut deren Sprecherin Andrea Wangner bereits zwischen den Jahren 2019 und 2021 deutlich über dem Schnitt. Im vergangenen Jahr stieg sie weiter auf 8,8 Prozent. „Dies lässt sich schwerpunktmäßig mit Covid-Erkrankungen vor allem im ersten Quartal 2022 erklären. Zudem führen Langzeiterkrankungen dazu, dass die Fehlzeitenquote im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren überproportional gestiegen ist“, so Wangner.

Die Stadtverwaltung Esslingen und deren Eigenbetriebe toppten diese Werte gar: 13,8 Prozent der Beschäftigten der Kernverwaltung und der beiden Eigenbetrieben Volkshochschule und Städtische Gebäude Esslingen fehlten krankheitsbedingt mehr als 30 Arbeitstage pro Jahr – und das im Jahr 2019 vor Corona. „Im vergangenen Jahr 2022 stieg in diesem Bereich die Fehlzeitquote auf 16,4 Prozent“, sagt die Personalchefin der Stadt Esslingen, Corinna Breitkopf. Aber die Statistik sei in diesem Fall trügerisch, da die Fehlzeiten gerade in den Coronajahren – im Zeitraum 2019 bis einschließlich 2021 – deutlich höher gewesen seien. Bezahlte Freistellungen durch positive Coronatests oder -symptome seien nicht in die Statistik eingeflossen.

Verschobene Operationen und ausgefallene Busse

Beim öffentlichen Nahverkehr in Esslingen zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Durch den engen Kundenkontakt seien die Busfahrer der Städtischen Verkehrsbetriebe Esslingen (SVE) besonders von den Infektionswellen betroffen gewesen. „Als Folge dieser hohen Personalausfallquote im Fahrdienst sind täglich Teilleistungen ausgefallen, die trotz des Leistens von Überstunden und dem Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Werkstatt und der Verwaltung nicht aufgefangen werden konnten“, sagt Johannes Müller, Technischer Werkleiter des Städtischen Verkehrsbetriebs Esslingen. Die Bereiche Werkstatt und Verwaltung seien von größeren Ausfällen verschont geblieben.

Laut DAK stieg auch die durchschnittliche Krankheitsdauer um fünf Tage auf 17 Tage an. Vor allem Atemwegserkrankungen wie Erkältungen und Bronchitis waren besonders häufig die Gründe für Ausfälle. Diese Infektionen verzeichneten laut der Krankenkasse ein Plus von 188 Prozent. Aber auch Muskel-Skeletterkrankungen, psychische Erkrankungen und Coronafälle häuften sich.

Das Klinikum Esslingen war im vergangenen Jahr laut deren Sprecherin Anja Dietze massiv belastet: „Patientenaufnahmen und operative Eingriffe wurden, wenn dies medizinisch vertretbar war, verschoben.“

Flexibilität am Arbeitsplatz soll helfen

Die häufigen Fehlzeiten hatten auch Konsequenzen für die Arbeitsabläufe und die Gesundheitsvorsorge: Wie es aus dem Personalamt des Landratsamtes heißt, wurden insbesondere in Bereichen mit Publikumsverkehr an vielen Stellen die Beratungsstellen von den Bürotätigkeiten räumlich getrennt. Auf Arbeitsspitzen, die durch Krankheitsausfälle entstünden, könne das Landratsamt durch flexible Gleitzeitregelungen reagieren: „Das Personal kann problemlos Zeitguthaben aufbauen, das zu einem späteren Zeitpunkt wieder abgebaut werden kann“, erklärt Andrea Wangner. Homeoffice spielt laut ihr weiter eine wachsende Rolle: „Die Verwaltung wird sukzessive auf eine digitale Aktenführung umgestellt.“ Dies sei letztlich auch wichtig, um langfristig Personal zu gewinnen und zu halten. Das Klinikum Esslingen setzte im vergangenen Jahr verstärkt auf Leasingkräfte. „Die Notfallversorgung konnten wir zu allen Zeiten sicherstellen“, betont die Kliniksprecherin Anja Dietze. Auch der Stellenwert der Krankheitsvorsorge wächst bei den Verwaltungen und dem Klinikum: „Um dem Krankheitstrend entgegenzuwirken, bauen wir sukzessiv unser betriebliches Gesundheitsmanagement aus“, so Wangner. Dazu würden Seminare zu gesunder Ernährung, zur Stressbewältigung oder zur psychischen Gesunderhaltung zählen. Auch Rückenschulprogramme werden bereits während der Mittagspause angeboten.

Immerhin: Landratsamt, Stadtverwaltung und Klinikum melden, dass derzeit die große Krankheitswelle am Abflachen sei. Noch ist der Krankenstand zwar noch nirgends auf Normalniveau, aber die Tendenz verläuft laut Aussagen der Verantwortlichen in allen Bereichen in eine gesunde Richtung.

Über die Auswertung der Krankheitsfälle

DAK
 Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) ist eine der größten Krankenkassen Deutschlands und versichert rund 630 000 Menschen in Baden-Württemberg. Für die Fehlzeitenanalyse seien die Daten von rund 275 000 erwerbstätigen Mitgliedern der DAK in Baden-Württemberg für das komplette Jahr 2022 durch das Berliner IGES Institut ausgewertet worden.

Dunkelziffer
 Der Anstieg beim Krankenstand hängt nach Ansicht der DAK zum Teil auch mit der elektronischen Meldung der Krankschreibungen zusammen. Seit Anfang 2022 gehen Krankmeldungen von den Arztpraxen direkt an die Krankenkassen und müssen nicht mehr von den Versicherten selbst eingereicht werden. Dadurch würden nun auch Krankheitsfälle in der Statistik auftauchen, die in der Vergangenheit nicht erfasst wurden, weil die gelben Zettel bei den Versicherten liegenblieben.

Krankenstand
 Die Baden-Württemberger sind bundesweit offenbar am gesündesten. Der Krankenstand liegt hier mit 4,7 Prozent um 0,8 Prozentpunkten unter dem Bundesniveau von 5,5 Prozent.

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