Terry Pratchetts und Neil Gaimans herrlich abstrusen Fantasyroman „Good Omen“ gibt es nun auch als Miniserie bei Amazon Prime. Eine Begegnung mit einem Dämon, zwei Engeln und einem Schriftsteller.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

London - Terry Pratchett und Neil Gaiman erzählen in dem im Jahr 1990 erschienenen Roman „Das gute Omen“ von dem Engel Erziraphael und dem Dämonen Crowley, die gemeinsam den bevorstehenden Weltuntergang verhindern wollen. In der fantastisch-skurrilen Story gibt es unter anderem Platz für Auftritte des Erzengels Gabriel, des Beelzebubs, von Hexen und satanischen Nonnen. Mehrere Versuche, den Stoff zu verfilmen, scheiterten. Doch drei Jahre nach Pratchetts Tod hat es Gaiman geschafft, den letzten Wunsch seines Kollegen zu erfüllen. Von diesem Freitag an ist der Sechsteiler „Good Omens“ bei Amazon Prime verfügbar. Wir haben in London Neil Gaiman sowie die Schauspieler David Tennant (Crowley), Michael Sheen (Erziraphael) und John Hamm (Erzengel Gabriel) getroffen.

 

Mr. Gaiman, „Good Omens“ geht ziemlich freizügig mit der Schöpfungsgeschichte um. Strenggläubige Christen dürften das nicht besonders witzig finden. Hatten Sie jemals Bedenken, so eine Geschichte zu erzählen?

Neil Gaiman: Als Terry und ich damals den Roman geschrieben haben, waren wir schon ein bisschen besorgt. Das war die Zeit, als sich Salman Rushdie verstecken musste, weil Ajatollah Khomeini wegen der „Satanischen Verse“ ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hatte. Terry sagte damals: Wenn’s blöd läuft, müssen wir auf die Suche nach Salman Rushdie gehen und ihn fragen, ob er noch ein Schlafzimmer frei hat, in dem wir unterschlüpfen können.

Das war dann aber nicht nötig.

Gaiman: Nein, als das Buch herauskam, wurden wir stattdessen prompt für einen Preis für religiöse Fiktion nominiert. Und Rowan Williams, der ehemalige Erzbischof von Canterbury, den ich mal bei einem Buchfestival getroffen habe, verriet mir, wie sehr er „Good Omens“ liebt.

Wird die Serie auch so wenig anecken?

Gaiman: Was jetzt passiert, weiß ich natürlich nicht. Vielleicht werden irgendwelche Fanatiker mit heiligem Groll ihre Fernsehgeräte abfackeln. Wer weiß. Aber trotz zahlreicher Boykottversuche ist ja auch die TV-Serie „Lucifer“ ziemlich erfolgreich. Da unsere Charaktere eigentlich viel gutmütiger sind als die in „Lucifer“, rechne ich nicht unbedingt mit Protesten. In „Good Omens“ sind allerdings weder die Hölle noch der Himmel Orte, an denen man enden möchte. Richtig erträglich ist es eigentlich nur auf der Erde.

Michael Sheen: So sehen das ja auch Erziraphael und Crowley. Die beiden haben so lange auf der Erde gelebt, bis sie sich in sie verliebt haben und deshalb nun alles tun würden, um die Apokalypse zu verhindern. Das ist, finde ich, auch das Tolle an der Geschichte: Die beiden Hauptfiguren sind zwar übernatürliche Wesen, keiner der Charaktere, die ich bisher gespielt habe, war aber so durch und durch menschlich wie der Engel, der ich in „Good Omens“ bin.

Der Dämon Crowley und der Engel Erziraphael sind ein tolles Team, wenn es darum geht, Gott und den Teufel zu überlisten.

Sheen: Ja, eigentlich sind sich der Dämon und der Engel sehr, sehr ähnlich. Zumindest wollen sie das Gleiche.

David Tennant: Sie inspirieren sich gegenseitig. Sie sind so wie ein altes Ehepaar, das nicht ohneeinander leben kann.

Sheen: Immer, wenn der eine nicht da ist, fühlt sich der andere irgendwie unvollständig.

Mr. Sheen, Erziraphael hat ein ganz und gar gutmütiges Wesen. Haben Sie manchmal Mr. Tennant beneidet, der als Crowley herrlich böse und hinterlistig sein darf?

Sheen: Es ist komisch, das Gute hat ja irgendwie einen miesen Ruf. Der Teufel ist viel cooler, er hat die bessere Musik. Und alle glauben, dass es viel mehr Spaß macht, das Böse zu spielen. Aber ich glaube, das stimmt nur, wenn man faul ist. Es ist nämlich verdammt schwer und anstrengend, gut zu sein. Davor sollte man mehr Respekt haben. Ich bin jedenfalls viel lieber ein Engel als ein Teufel.

Tennant: Tatsächlich ist ja auch Crowley weit davon entfernt, wirklich böse zu sein. Auch wenn er das nicht so zugeben würde, ist er doch ziemlich gefangen in seinem eigenem Humanismus, seiner heimlichen Gutherzigkeit.

Sheen: Er ist ziemlich schlecht darin, schlecht zu sein.

Tennant: Exakt.

Terry Pratchett hat in einem Brief, der in seinem Nachlass gefunden wurde, Neil Gaiman darum gebeten, den Stoff zu verfilmen. Und die Erwartungen der Fans sind ziemlich hoch. Setzt einen das als Schauspieler besonders unter Druck?

Jon Hamm: Es spielt keine Rolle, ob du in einem kleinen, billigen unabhängigen Film, in einer 150 Millionen Dollar teuren Großproduktion oder in irgendwas dazwischen mitspielst: Du erfüllst immer den Traum von irgendjemand. Du solltest die Person respektieren, die das Ding erschaffen hat, dir bewusst machen, wie viel Zeit sie in die Sache investiert hat, bevor du ins Spiel kamst. Neil und Terry haben Jahre damit zugebracht, dieses Buch zu schreiben. Matt Weiner hat zehn Jahre lang darauf warten müssen, bis er endlich „Mad Men“ machen durfte. Wenn du bei einem solchen Projekt engagiert wirst, willst nicht derjenige sein, der alles versaut. Das ist auch eine Frage der Professionalität als Schauspieler.

Tennant: Als Schauspieler bist du sowieso so eitel, dass du gar nichts anderes machen kannst, als dein Bestes zu geben. Aber natürlich ist diesmal der Druck noch etwas größer, weil du dich dem Erbe Terry Pratchetts verpflichtet fühlst.

Sheen: Manchmal ist man als Schauspieler in einem Dilemma: Man möchte gerne in einem Film oder einer Serie mitspielen, weil man sich in das Projekt verliebt hat, muss aber feststellen, dass es darin keine Rolle gibt, die zu einem passt. Dann sollte man unbedingt die Finger davon lassen. In dem Fall von „Good Omens“ war die Sache aber ganz einfach: Ich wusste sofort, dass das die richtige Rolle für mich ist und dass ich der Richtige für diese Rolle bin. Ich habe das Buch und die Figur schon immer geliebt. Ich bin ein Fan. Als Schauspieler kannst du dann darauf vertrauen, dass du das Richtige machst und dem Wunsch von Terry gerecht wirst.

„Good Omens“: vom Buch zur Serie

Roman
Terry Pratchett und Neil Gaiman veröffentlichten 1990 den Roman „Good Omens“, der auf Deutsch unter dem Titel „Ein gutes Omen. Die freundlichen und zutreffenden Prophezeiungen der Hexe Agnes Spinner“ erschien.

Verfilmungsversuche
Im Jahr 2002 wollte Terry Gilliam aus dem Buch einen Film machen, Johnny Depp und Robin Williams wollten mitspielen. Das Projekt scheiterte an der Finanzierung. Auch aus der TV-Fassung, die Terry Jones plante, wurde nichts.

TV-Serie

Vom 31. Mai an ist der britische Sechsteiler „Good Omens“ bei Amazon Prime Video verfügbar. Für die vom TV-Sender BBC koproduzierte Serie hat Neil Gaiman das Drehbuch geschrieben. Regie führte Douglas Mackinnon.