Kulturhauptstadt 2024 Das Salz des Lebens
Bad Ischl ist Kulturhauptstadt 2024. Der historische Kurort verzichtet auf kostspielige Neubauten, sondern setzt auf die Erneuerung des bereits Vorhandenen. Und natürlich auf Wasser und Kultur.
Bad Ischl ist Kulturhauptstadt 2024. Der historische Kurort verzichtet auf kostspielige Neubauten, sondern setzt auf die Erneuerung des bereits Vorhandenen. Und natürlich auf Wasser und Kultur.
Der Aufstieg hat es in sich. Gut, für geübte Wanderer ist der Weg vom Stadtzentrum Bad Ischl hinauf auf den rund 600 Meter hohen Siriuskogl eine leichte Übung. Für den hungrigen, mäßig fitten Wirtshausbesucher stellt die steile Schotterstraße aber eine Herausforderung dar. Vor allem fragt man sich bang, wie man später am Abend, mit rund gefülltem Bauch und nicht mehr ganz nüchtern, diesen unbeleuchteten Weg wieder herunterkommen wird. Egal: Zunächst freut man sich, dass man oben angekommen ist. Das verdiente erste Gläschen wird draußen im Stehen auf der Franz-Josefs-Warte getrunken. Der Wirt vom Siriuskogl, der junge, unkonventionelle Koch Christoph „Krauli“ Held, breitet die Arme aus, zeigt die sensationelle Aussicht auf Berge, Wälder, Seen und sagt: „Was man von hier aus sieht, das ist die Kulturhauptstadt 2024: Bad Ischl, das Salzkammergut, alles gehört dazu.“
Zur Kulturhauptstadt des Jahres werden in der Regel zwei bis drei Städte aus verschiedenen europäischen Ländern ernannt. Dass eine ganze Region diesen Ehrentitel tragen darf, ist die Ausnahme: Im Jahr 2010 ist das in Essen und dem Ruhrgebiet geschehen. Und jetzt eben Bad Ischl und 23 Gemeinden aus dem Salzkammergut. Ein Schwerpunkt liegt jedoch auf der Kurstadt.
Auch der 35-jährige Krauli macht mit, und zwar als Ideengeber für das Projekt „Wirtshauslabor“. „Das Wirtshaus ist ein kulinarisch angereicherter sozialer Treffpunkt“, sagt Krauli. Er wolle gemeinsam mit anderen Köchen und Produzenten die Gastgeberkultur im Salzkammergut „europäisch neu denken und beleben“. Der gerne als „Küchenrebell“ bezeichnete Krauli möchte durch Wirtshauskino, Pop-up-Formate oder Themenstammtische die Kneipenkultur seines Heimatlandes weltoffener machen.
Die künstlerische Geschäftsführerin der Kulturhauptstadt, Elisabeth Schweeger, ist oft und gern hier oben zu Gast. Die 69-jährige renommierte Kulturmanagerin schätzt die tiefgründigen Gespräche, die sich hier oben, hoch über Bad Ischl, bei Speis und Trank so selbstverständlich entwickeln, und sagt: „Es wird 2024 viele Möglichkeiten geben, die gut gepflegten Eigenarten, Traditionen und Sichtweisen der Region mit anderen zu teilen, zu hinterfragen und auch zu erweitern.“ Die unerschrockene und resolute Frau hofft, dass es dem Salzkammergut gelingen werde, sich als Modellregion zu präsentieren, die unter Beweis stellen kann, dass kulturelle Unterschiede eine Bereicherung für das Zusammenleben sind.
Das hat in der Vergangenheit nicht immer ganz reibungslos geklappt. Die enklavische Lage zwischen hohen Bergen und tiefen Seen führte zu einer gewissen Abschottung der Region. Einerseits gab es zwar durch den lukrativen Salzhandel schon seit jeher die Auseinandersetzung mit fremden Ländern, aber auch die Abgrenzung gegenüber anderen Gepflogenheiten ist kultiviert worden. „Veränderungsresilienz“ nennt die Stadtführerin Noelia Torres de Glasser diese Mentalität mit einem Augenzwinkern. Bei einem Spaziergang durch den weitläufigen Kaiserpark von Bad Ischl kann man sich gut ein Bild davon machen, was die muntere Führerin damit meint.
In der habsburgergelben, zierlichen Kaiservilla hat Franz Joseph I. unzählige Sommer verbracht, seine Mutter hatte das Anwesen nach der Verlobung des Kaisers mit Elisabeth im Jahr 1853 erworben und dem Brautpaar geschenkt. In Anlehnung an den Aufenthalt des Kaiserpaares ist die Villa auch heute nur in den Sommermonaten zu besichtigen. Am 18. August wird halb im Scherz, halb im Ernst der Geburtstag von Franz Joseph gefeiert. „In dem nicht-öffentlichen Trakt des Hauses wohnen die Nachfahren: der Hausherr Magister Markus Emanuel Habsburg-Lothringen ist ein Urenkel von Kaiserin Sisi“, erklärt Noelia.
Auf einmal steht der 77-Jährige im Kassenraum der Villa: Mit strengem Blick mustert er die Anwesenden und formuliert in scharfem Ton, was man hier in dem Gebäude alles nicht darf. Keiner widerspricht, obwohl es durchaus Gründe gäbe. Die Kaiservilla macht die Besucher für einen Moment zu eingeschüchterten Untertanen. Und es würde niemanden wundern, fiele hier in der dunklen Eingangshalle anstatt der Anrede Magister das Wort Majestät.
Ganz anders dagegen ist die Atmosphäre im Marmorschlössl, das weiter oben im Park liegt. Der ehemalige Rückzugsort von Kaiserin Sisi ist das moderne, helle und luftige Gegenstück zur Kaiservilla und beherbergt heute ein Museum zur Geschichte der Fotografie. Außerdem gibt es Wechselausstellungen, die Bezug nehmen auf die Region und das Haus Habsburg. 2023 sind jagdbegeisterte Frauen und Wildökologie das Thema gewesen, im Kulturhauptstadtjahr wird sich der weltbekannte Künstler Ai Weiwei mit den Verbindungen Chinas zum Salzkammergut befassen.
So reich die Region auch an Wasser, Salz und Geschichte ist, fehlte es ihr bisher doch an bedeutenden Ausstellungsräumen, um bildende Kunst zu zeigen. Das soll sich nun ändern. Für die zentrale Ausstellung des Kulturhauptstadtjahres ist das alte Sudhaus in Bad Ischl komplett renoviert worden und zeigt ab Ende Januar unter dem Titel „Salz, Wasser, Holz und Kunst“ Kunstprojekte, Film- und Fotoarbeiten rund um diesen Themenbereich. Ein Teil der Schau nimmt Bezug auf die Klimakatastrophe.
Das Sudhaus soll auch nach 2024 der Bevölkerung als Kulturzentrum zur Verfügung stehen. Der Kurdirektor von Bad Ischl, Jakob E. Reitinger, erklärt, dass es ihm nicht nur darauf ankomme, dass noch mehr Touristen nach Ischl kommen. „Ich wünsche mir, dass Ischl lebenswerter wird für die Einheimischen. Und dass die jungen Leute nicht abwandern“, sagt Reitinger. Zudem war es dem 42-Jährigen wichtig, dass die Stadt kein Geld in Neubauten steckt, sondern bestehende Gebäude saniert und nutzt. Eine umfassende Renovierung findet derzeit im legendären Léhar-Filmtheater statt. „Das Salzkammergut will sich nachhaltig präsentieren, es will sich erneuern und modern werden.“
Anreise
Mit der Bahn über M