Die Kreativen betonen den Image-Gewinn für die Stadt, den sie für einen Wert an sich halten.

Leonberg - Geht es um die Zukunft der alten Schuhfabrik, sind bisher nur die Kommunalpolitiker zu Wort gekommen. Doch jetzt melden sich die unmittelbar Betroffenen: Jene Künstler, die in dem einstigen Industriegebäude in der Steinstraße ihre Ateliers haben.

 

Chris Heinemann und Karin Albrecht warnen im Auftrag der Ateliergemeinschaft im Künstlerhaus, das Gebäude aufzugeben und womöglich abzureißen, um dort neue Wohnhäuser zu errichten. Denn das ist eine von drei Möglichkeiten, die der Gemeinderat in Erwägung zieht.

Was ist bisher geschehen?

Schon seit mehr als 40 Jahren ist die Schuhfabrik auch ein Ort der Kunst. Nachdem die Produktion 1977 eingestellt wurde, hatte der damalige Eigentümer Erich Hägele Kunststudenten Räume günstig überlassen. Als die Stadt das Gebäude übernommen hatte, war es die damalige Kulturamtsleiterin Christina Ossowski, unter deren Federführung die einstige Fabrik zu einem Künstlerhaus ausgebaut wurde, dessen Ateliers auch in der Langen Kunstnacht stets geöffnet sind.

Was sagt die Politik?

Mit der zunehmenden Wohnungsproblematik geriet die alte Schuhfabrik in den Fokus der Politik. Vor gut einem Jahren brachten die Freien Wähler das 120 Jahre alte Bauwerk als Standort für zentralen Wohnungsbau ins Gespräch.

Dann passierte erst mal lange Zeit nichts, bevor die Diskussion im vergangenen Herbst wieder Fahrt aufnahm. Die CDU schlug vor, die Künstler im Alten Rathaus am Marktplatz unterzubringen. Ein passender Ort, wie die Fraktionsvorsitzende Elke Staubach meinte, weil in der Altstadt ohnehin viele Ateliers sind.

Die Grünen sprachen sich klar für einen Verbleib der Ateliers aus. Die Freien Wähler warteten mit einer Art Kompromissvorschlag auf: Fachleute sollen überprüfen, welcher Weg der beste ist: Soll die Schuhfabrik eine Heimstatt für Künstler bleiben? Soll das Gebäude zu einem Wohnhaus umgebaut werden? Oder ist der Abriss die beste Lösung? Die Antworten auf diese Fragen liegen noch nicht vor.

Welche Bedeutung hat Kunst?

Die Künstler lassen unterdessen keinen Zweifel daran, dass ihnen der Verbleib an gewohnter Stätte am liebsten ist. Es sei nicht so, dass Kunst ein reines Zuschussgeschäft sei, das der Stadt nichts bringe.

„Leonberg hat in den vergangenen mehr als zehn Jahren von den Aktivitäten der Künstlerszene erheblich profitiert“, erklären Karin Albrecht und Chris Heinemann. „Insbesondere mit der Langen Kunstnacht hat sich Leonberg ein weit über die Region hinaus strahlendes Image als weltoffene Stadt der Kreativen erarbeitet.“

Die Stadtspitze und der Gemeinderat müssten sich im Klaren sein, „ob sie dieses Image mit einer womöglich kurzschlüssigen Entscheidung wieder über Bord werfen wollen. Es geht auch darum, welche Bedeutung einer lebendigen Kunstszene in Zukunft in einem demokratischen Gemeinwesen beigemessen werden soll.“

Ist das Haus nur für Künstler da?

Albrecht und Heinemann betonen, dass die alte Schuhfabrik keineswegs ausschließlich den Künstlern zur Verfügung steht. „Mit den Jahren, zuletzt 2017, wurden die Ateliers auf die anteilmäßig kleinste Fläche innerhalb des Gebäudes zusammengedrängt, weil die Stadt nach und nach immer mehr Platz für ihre historische Sammlung beanspruchte.“

Im Erdgeschoss befindet sich die Galerie und ein Bild- und Rahmen-Geschäft. Das Lager der Stadt ist im ersten Stock, die Jugendmalschule in der zweiten der Etage. „Insofern käme eine Sanierung in erster Linie der Stadt selbst zugute“, meinen die beiden Sprecher der Künstler. „Die Ateliergemeinschaften zahlen schon immer Miete, früher an den Privateigentümer, heute an die Stadt. Die Miete ist dem Zustand des Gebäudes angemessen. Auch deshalb ist sie für die Künstler bezahlbar.“

Sind Wohnungen nicht wichtiger?

Karin Albrecht und Chris Heinemann betonen, dass sie großes Verständnis für die Probleme der Wohnungssuchenden und die Bemühungen der Stadt beim Bau bezahlbarer Wohnungen haben: „Den Vorschlag, hier preiswerte Sozialwohnungen zu bauen, würden angesichts der aktuellen Lage auf dem Wohnungsmarkt vermutlich viele unterschreiben. Die Frage ist nur: Muss man dafür eine Minderheit (die Künstler) gegen eine andere Minderheit (die auf Sozialwohnungen angewiesenen Bürger) ausspielen?“

Auch in der Politik gibt es Zweifel, ob an dieser exponierten wie zentralen Stelle wirklich preiswerter Wohnraum machbar ist. Der Grünen-Stadtrat Sebastian Werbke spricht sogar von einer „1 A-Lage.“