Kaum ein Künstler hat sich so leidenschaftlich seiner Heimat gewidmet wie Reinhold Nägele. Auf seinen detailreichen Bildern wird die aufstrebenden Metropole Stuttgart in den Zwanzigerjahren wieder lebendig.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Von wegen schwaches Geschlecht! Die Dame hat Muskeln aus Stahl. Nicht einen Mann hievt sie mit den Beinen in die Luft, auch nicht zwei oder drei. Nein, auf dem Brett, das sie mit den Füßen hochgestemmt hat, sitzen stattliche elf Männer. Das Publikum staunte nicht schlecht – und man kann sich vorstellen, dass auch Reinhold Nägele euphorisiert nach Hause eilte, um dieser üppigen Mamsell mit Wunderkräften ein Bild zu widmen. Gesellig war er nicht, er soll eher wortkarg und etwas merkwürdig gewesen sein, wie ein Zeitgenosse meinte. Unter Menschen aber war Reinhold Nägele offensichtlich gern, sei es auf den belebten Straßen der Stuttgarter Innenstadt, im Zirkus oder auf dem Cannstatter Volksfest. Draußen, mitten im Leben, fand er die Themen seiner Malerei.