Eine Verlängerung der Arbeitszeit im Smart-Werk Hambach stößt bei den Gewerkschaften überwiegend auf Ablehnung.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Stuttgart - Die gesetzliche Wochenarbeitszeit der „35 heures“ (35 Stunden) bleibt in Frankreich ein explosives Thema. Das bekam dieser Tage schon Wirtschaftsminister Emmanuel Macron zu spüren, als er diese Errungenschaft der Linken aus dem Jahr 1999 in Frage stellen wollte. Der ehemalige Banker wurde von seinem eigenen Premierminister, Manuel Valls, desavouiert. Macrons Vorschlag, dass betriebliche Abkommen die gesetzliche Arbeitszeit außer Kraft setzen können sollen, bleibt aber im Raum stehen.

 

Mitten in dieser gespannten Situation organisiert nun Daimler eine Abstimmung unter den 850 Angestellten des Smart-Werkes in Hambach (Lothringen) unweit der saarländischen Grenze. Das Smart-Management schlägt vor, die Wochenarbeitszeit bis Oktober des nächsten Jahres in zwei Schritten von 35 auf 39 Stunden zu erhöhen.

Produktion soll steigen

Das soll die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen sowie die Stellen – inklusive der 1600 Arbeitsplätze der vor Ort befindlichen Zulieferer – bis 2020 sichern. Der Personalchef von Smart-France, Philippe Steyer, stützt sich auf eine Studie des Beratungsunternehmens IHS, laut dem die Produktion in Hambach von 93 000 Fahrzeugen in diesem Jahr auf 133 500 im nächsten Jahr ansteigen soll.

Als Gegenleistung würde das Unternehmen die Löhne um monatlich 120 Euro erhöhen und einen einmaligen Bonus von 1000 Euro zahlen; außerdem sollen bis 2017 mindestens 50 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.

In „Smartville“, wie der Standort Hambach öfters genannt wird, weckt die Abstimmung indes keine große Begeisterung. Die Gewerkschaften sind mehrheitlich dagegen. Nur die CFE-CGC, die vor allem leitende Angestellte vertritt, kann sich damit abfinden. Um die Produktion des wichtigsten Smart-Modells Fortwo in Hambach zu sichern, so argumentiert sie, müsse die Produktivität gesteigert werden.

Bloß gehe das auf Kosten der Arbeiter, monieren die drei übrigen Gewerkschaften. Die ehemals kommunistische CGT rechnet vor, dass einer Arbeitszeiterhöhung von zwölf Prozent nur eine Lohnerhöhung um sechs Prozent gegenüberstünde. Die den Sozialisten nahestehende CFDT wendet zudem ein, für einen „Wettbewerbspakt“ – wie ihn in Frankreich zum Beispiel Renault geschlossen hat – sei es zu früh. Noch sei nicht bekannt, wie sich die erst anlaufenden Smart-Verkäufe in China und den USA entwickeln werden. „Wir würden gerne abwarten, um die Tendenz dieser Märkte zu kennen, bevor wir Opfer bringen“, erklärte der CFDT-Delegierte Emmanuel Benner während der internen Abstimmungskampagne. Er verweist auch darauf, dass das Werk derzeit keineswegs ausgelastet sei. Es sei paradox, die Arbeitszeit zu erhöhen, wenn nicht genug Bestellungen vorlägen.

Von „Erpressung“ ist die Rede

Die CGT verdächtigt Daimler generell, die Löhne bewusst senken zu wollen, um langfristig eine Tochter abzustoßen, deren Produkte sich nicht gerade wie warme Semmeln verkaufen, wie die Gewerkschaft argwöhnt. Sie spricht in der Abstimmungskampagne sogar von „Erpressung“, nachdem der Viersitzer Smart Forfour bereits im slowenischen Renault-Werk in Novo Mesto hergestellt werde.

Solche harschen Töne sind nicht selten in Hambach, wo sich die Sozialpartner seit dem Produktionsbeginn im Jahre 1998 die Zähne aneinander ausbeißen. Kulturelle Unterschiede wiegen schwer in der einzigen von einem ausländischen Hersteller geführte Autofabrik Frankreichs, wenn man von einem Toyota-Werk in Nordfrankreich absieht. Dem Smart-Angebot, 2020 je nach Auftragslage wieder zur 35-Stunden-Woche zurückzukehren, schenken die Gewerkschaften aus Erfahrung mit französischen Versprechungen keinen Glauben. Arbeiter werfen den deutschen Eignern überdies vor, sie akzeptierten die französischen Verhältnisse nicht – nachdem vor Jahren schon Bosch die „35 heures“ mit einer Betriebsabstimmung auszuhebeln versucht hatte. Die am Freitag geplante Abstimmung hat an sich nur konsultative Wirkung. Auch muss ein positives Resultat von Gewerkschaften, die seit den letzten Betriebswahlen mindestens 30  Prozent der Angestellten vertreten, unterzeichnet werden. Das scheint derzeit nicht gegeben.