Die verkannte Kunst: das Badische Landesmuseum in Karlsruhe zeigt bis Oktober eine Ausstellung zum Thema „Glasmalerei der Moderne“.  

Stuttgart - Manchmal glüht Malerei richtig von innen. Sprüht und blitzt, leuchtet sinnlich, erfasst den Betrachter mit einem blendenden, fast überirdischen Licht. Wie Johannes Schreiters über ein Meter hohes Bild mit dem geheimnisvollen Titel "S. D. G. 3", welches in verschiedenen, fein abgestimmten Orangetönen strahlt, leise in ein rosa angehauchtes Rot übergeht, von einer lilafarbenen Fläche überdeckt wird und doch auch da an manchen Stellen herausbricht, an denen dann das Lila aufknackt, brüchig wird. "Soli deo gloria" bedeutet die Abkürzung: "Gott allein sei Ehre". Aber bei längerem Verweilen entdeckt man, dass da ein Frauentorso versteckt ist, mit Brustwarze und doch deutlichen Konturen. Es ist auch eine Hommage an Schreiters Frau Edith.

 

Das Bild leuchtet aber nicht nur von innen, sondern auch von hinten: Es ist auf Glas gemalt. Man kennt sie vor allem aus den Kirchen. Auch zeitgenössische Künstler wie Gerhard Richter oder Markus Lüpertz haben sich an ihr ausprobiert, mit unterschiedlichem Ergebnis. Eine schön komponierte Ausstellung im Badischen Landesmuseum im Karlsruher Schloss zeigt jetzt ein wenig von der Vielfalt dieser Kunst, die nicht immer ganz ernst genommen wird, für viele zu nah am Religiösen ist oder zu dicht am Kunsthandwerk.

Es gibt eine Fülle von erhaltenen Einzelstücken

Eines der Zentren der Glasmalerei war einmal in Stuttgart, deren Akademie sogar einen Lehrstuhl für Glasmalerei hatte (heute "Glasgestaltung und Malerei"): Werke von Rudolf Yelin d. J. und seinem Schüler Hans Gottfried von Stockhausen, beide Lehrer in Stuttgart, werden in Karlsruhe gezeigt: Stockhausens Glasbild "Daphne" von 1984, eine fantasievolle Darstellung von Daphnes Verwandlung in einen Lorbeerbaum mit einer fröhlich lächelnden Nymphe, deren Haare sich schon in Äste umformen, und den Anfangszeilen von Ovids Erzählung in Stockhausens Handschrift. Oder Yelins Entwurf für das Mittelfenster im Chor der Stuttgarter Stiftskirche. Von Adolf Hölzels Stuttgarter Rathausfenster ist eine Zweitausführung zu sehen, dazu Skizze und Teilentwurf.

Es war nicht ganz einfach, Leihgaben für die Ausstellung zu bekommen - die meisten Fenster sind eben in Kirchen oder Rathäusern fest eingebaut. Aber es gibt doch eine Fülle von erhaltenen Einzelstücken, die im Bestand des Badischen Landesmuseums sind, wie zwei Innenverglasungen eines Wohnhauses, das Frank Lloyd Wright um 1913 gestaltet hat, oder Scheiben, die als freie Kunst entstanden, keineswegs nur als Teil einer Architektur, wie Georg Meistermanns "Zweiter Apokalyptischer Reiter" aus dem Jahr 1954.

Technik und Geschichte werden fast nebenbei erläutert

Überraschungen sind sicherlich die expressiv-abstrahierenden Glasbilder von Jean Cocteau und von dem Schauspieler Jean Marais, der eine filigran ziselierte Sumpfohreule (französisch: "hibou de marais") etwas naiv und künstlerisch reduziert auf einer kleinen Scheibe gestaltet hat. Aber auch die expressionistischen, kräftig leuchtenden Malereien von Karl Schmidt-Rottluff oder Albert Müller, der mit seinen blau-rot-grün flackernden Paaren auch an Kirchner erinnert, mit dem er eng befreundet war, hätten viele Besucher zuvor so sicher nicht erwartet.

In einem anschaulichen Rundgang zeigt die Ausstellung, nach einführenden Beispielen aus dem Spätmittelalter und der frühen Moderne, die vielen Facetten der Glasmalerei im zwanzigsten Jahrhundert, erläutert die Technik und Geschichte fast nebenbei. Vor allem zeigt sie mit brillanten Bildern und einem stringenten Aufbau, wieso diese Gegenlichtmalerei noch immer zu faszinieren vermag.

Die Ausstellung findet noch bis zum 9. Oktober, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, statt. Der Katalog umfasst 272 Seiten und kostet 26,90 Euro.