Das Land warnt vor der Gülen-Bewegung, doch einer lobt sie: Michael Blume, Mitarbeiter der Staatsrätin Regina Ammicht Quinn.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)
Stuttgart - Der Justizminister antwortete differenziert wie immer, aber am Ende doch eindeutig. Was er eigentlich von der türkischen Fethullah-Gülen-Bewegung halte, um deren geplante Schulgründung es in Freiburg gerade einigen Wirbel gebe? Der "umstrittene Prediger" und seine Lehre seien nicht leicht einzuschätzen, erwiderte Goll bei einem Auftritt als Integrationsbeauftragter der Landesregierung. Nicht nur in Freiburg, auch sonst werde die Bewegung kritisch hinterfragt - etwa kürzlich bei einem Treffen kommunaler Ausländerbeauftragter.

Einerseits, so der Minister, sehe er erfreuliche Aspekte, die zu einer gewissen Hoffnung berechtigten - etwa die klare Absage Gülens an Gewalt. Andererseits verträten Anhänger von ihm hochproblematische Ansichten, "nämlich dass man seiner Frau am besten zwischendurch eine Tracht Prügel verpasst", und der "Guru" schreibe auch noch ein Vorwort dazu. Gut oder schlecht - das müsse man in jedem Einzelfall beurteilen, bilanzierte Goll. Für ihn jedenfalls "überwiegen, Stand heute, die bedenklichen Aspekte".

"Unterschiedliche Einschätzungen"


Erst auf Nachfrage räumte der Minister ein, dass es innerhalb des Regierungsapparats durchaus "unterschiedliche Einschätzungen" über die Gülen-Leute gebe. Einen Namen nannte er zwar nicht, aber es war klar, auf wen seine Bemerkung zielte: den Stabsstellenleiter der neuen Staatsrätin - so der offizielle Titel - "für interkulturellen und interreligiösen Dialog sowie gesellschaftliche Werteentwicklung", Regina Ammicht Quinn.

Die Tübinger Professorin ist eine hochgebildete, eloquente und sympathische Wissenschaftlerin, die mit ihren gar nicht konservativen Ansichten selbst die Grünen beeindruckt hat. Doch auch hochrangige CDU-Strategen bezweifeln inzwischen, ob es eine gute Idee von Ministerpräsident Stefan Mappus war, sie - vermutlich auf Empfehlung von Annette Schavan - in die Politik zu holen. Auf dem für sie völlig fremden Parkett, so deren Eindruck, werde sie bis zur Landtagswahl nicht mehr heimisch. Deswegen gilt die Devise, Ammicht Quinn nur äußerst sparsam und vor allem kontrolliert öffentlich in Erscheinung treten zu lassen.

Nun richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit ausgerechnet auf ihren engsten Mitarbeiter. Michael Blume heißt der frisch zum Referatsleiter beförderte Chef ihrer Stabsstelle - Jahrgang 1976, promovierter Religions- und Politikwissenschaftler, verheiratet mit einer türkischen Muslimin. Seit mehreren Jahren profiliert sich der Ministeriale als Fürsprecher eben jener Gülen-Bewegung, die der Justizminister für überwiegend bedenklich hält. In Vorträgen, wissenschaftlichen Ausarbeitungen und Internetkommentaren nimmt er den Prediger und seine Anhänger gegen den Verdacht in Schutz, sie verfolgten unter dem Deckmantel hehrer Bildungsinitiativen noch andere Ziele. Während Goll sie zwischen "Traditionalismus, wo es eher nach Islamismus riecht", und der Moderne verortet, hat sich Blume schon entschieden: Für ihn überwiegt klar das Gute. Vehement weist er "Verschwörungstheorien" türkischer Nationalisten zurück, geißelt "massives Misstrauen" und warnt vor Verfolgung. Gerne vergleicht er die Gülen-Leute mit den evangelischen Pietisten, denen es einst ganz ähnlich ergangen sei: Auch die seien durch das ehrenamtliche und finanzielle Engagement von Einzelpersonen und dezentrale Netzwerke groß geworden - alles Dinge, die die Dynamik der Gülen-Bewegung erklärten.

Mangelt es an nötiger Distanz?


Lässt es der Regierungsmitarbeiter mit Lehraufträgen an mehreren Universitäten an der nötigen Distanz fehlen? Gegen diesen Verdacht musste sich Blume schon einmal wehren. Vor sieben Jahren, im Land regierte noch Erwin Teufel, holte ihn dessen Staatsminister Christoph Palmer als Islamberater in die Staatskanzlei. Das stieß dem Islamexperten des Landesamts für Verfassungsschutz, Herbert Landolin Müller, sauer auf: In seiner Magisterarbeit über die "junge, islamische Elite", monierte Müller, übernehme Blume "völlig unkritisch" Thesen von Islamisten, mit problematischen "Kunden" seiner Behörde führe der Religionswissenschaftler eine geradezu freundschaftliche Korrespondenz. Ein "allzu kühner Wurf" sei die Arbeit, sekundierte die Islamexpertin Ursula Spuler-Stegemann. Zumindest ein Extremist werde darin als "Prototyp eines Elitemuslims" vorgeführt.

Die Diskussion wogte heftig hin und her, Blume fühlte sich missverstanden, Palmer und das Staatsministerium hielten zu ihm: Sein Vertrag wurde verlängert. Auch diesmal wehrt sich Blume, der für die StZ nicht zu sprechen war, dem Vernehmen nach gegen den Vorwurf mangelnder Distanz; er moniere bei der Gülen-Bewegung etwa fehlende Transparenz. Doch auf einschlägigen Internetseiten wird er gerne als Gewährsmann der Gruppe aufgeführt - nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Mitarbeiter der Landesregierung. Das gibt seinen Wortmeldungen doppeltes Gewicht.

Für das Staatsministerium äußert er sich indes nur "in ehrenamtlicher und wissenschaftlicher Funktion". Dabei gelte für Blume das Gleiche wie für die Landesregierung: man stehe im kritisch-konstruktiven Dialog mit allen religiösen Gruppen, die sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen". Die Regierung, so ein Sprecher, halte zudem, "engen Kontakt" zum Verfassungsschutz.