Im Video „S&M“ sieht ein Fotograf sein Urheberrecht massiv verletzt. Er fordert in einem Zivilprozess am Landgericht Stuttgart vom verantwortlichen Musiklabel Universal 200.000 Euro Schadenersatz

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart - Sexuelle Anspielungen und Provokationen gehören fast zum Tagesgeschäft vieler internatonal erfolgreicher Musikkünstlerinnen: In den 80er Jahren küsste Madonna im Video „Like a Prayer“ einen Schwarzen, der in die Rolle Jesu Christi geschlüpft war. Jüngst schaukelte Miley Cyrus in „Wrecking Ball“ nackt auf einer Abrissbirne. Und im Jahr 2011 rekelte sich Rihanna spärlich bekleidet und sinnlich schmollend in ihrem Video „S&M“ in einer Sadomaso-Szenerie. Dabei schien die Sängerin aus Barbados, die eine riesige knallrote Perücke und ein knappes Kleid aus Zeitungspapier trug, hinter einer transparenten Folie festgehalten zu werden. Auf die Folie waren mit schwarzen Klebestreifen große Kreuze geklebt.

 

Fotograf hat seine Freundin sehr ähnlich in Szene gesetzt

Doch bereits wenige Monate vor der Veröffentlichung des Musikvideos im Februar 2011 hatte ein angehender Fotograf aus Saarbrücken eine verblüffend ähnliche Idee gehabt: Philipp Paulus war 18 und fotografierte im Sommer 2010 eine Freundin ebenfalls mit Plastikfolie, auf der schwarze Kreuze markiert sind. Die Szenerie ist ebenfalls im Hintergrund wie im Rihanna-Video grün-blau ausgeleuchtet – allerdings hatte die Dame eine blonde Hochsteckfrisur und trug ein überdimensioniertes rotes Tüllkleid.

Nach Ansicht Paulus ähneln die Bilder seiner Fotoserie „Paperworld“ verdächtig denen des Rihanna-Videos. Der mittlerweile 22 Jahre alte Künstler, der in der Modebranche in New York Fuß gefasst hat, sieht darin sein Urheberrecht verletzt. Über die Stuttgarter Anwaltskanzlei Jakober hat Paulus daher am Landgericht Stuttgart Klage gegen die Plattenfirma Universal Music Deutschland GmbH eingereicht. Der Musikgigant habe sein geistiges Eigentum illegal gebraucht. In dem Zivilprozess klagt Paulus auf Unterlassung und fordert 200 000 Euro Schadenersatz.

Anwaltskanzlei lädt Video als Beweismittel aus dem Internet

Die Richter der 17. Zivilkammer müssen sich nun mit dem Plagiatsvorwurf befassen. Stuttgart ist bei der Streitfrage ein so genannter fliegender Gerichtsstand: Da die mutmaßliche Urheberrechtsverletzung in Deutschland begangen worden ist, und die Anwaltskanzlei von Paulus das Video in Stuttgart heruntergeladen hat, ist die Landeshauptstadt der Prozessort.

Der Künstler ist zuversichtlich als Sieger aus dem Verfahren zu gehen: Demnach sollen sich die Macher des Musikvideos die Bilder des Fotografen angeschaut und für den Film abgeschaut haben. Man habe Paulus Werk „respektlos und unautorisiert“ kopiert. „Die Bilder unseres Mandanten machen 40 Prozent des Videos aus“, betonte der Anwalt Philip M. Jakober am Dienstag beim Prozessbeginn. „Wesentliche Elemente der Bilder wurden übernommen.“

Universal bietet lediglich 5000 Euro

Die Beklagtenseite erklärte indes, dass es zwar Übereinstimmungen gebe. Diese würden beim Betrachter des Videos aber nicht den Gedanken auf das Ursprungswerk des Fotografen aufdrängen – diese Maßstäbe setze die Rechtssprechung. Doch andererseits scheint die Beklagtenseite doch einzuräumen, dass es bei der Ideenfindung für das Video nicht mit rechten Dingen zugegangen ist: Sie ließ durchblicken, dass man bereit sei, Paulus 5000 Euro zu zahlen.

Mit der Summe kann sich der Künstler allerdings nicht abfinden. Wie am Rande des Verfahrens zu erfahren war, zahlen international agierende Plattenfirmen Künstlern eh in der Regel zwischen 3000 und 5000 Euro Lizenzgebühren, wenn sie deren kreative Ideen in den Videos verarbeiten.

Richter: Weg offen für einen Vergleich?

Die Richter gaben den Prozessbeteiligten nun auf den Weg, sich beim Schadenersatz in Vergleichsgesprächen auf einen Kompromiss zu einigen. Vorsorglich bestimmten sie aber dennoch für Anfang Juni ein Termin für ein Urteil. Sollte Paulus dabei Recht bekommen, will der Künstler zunächst auch in Frankreich und Österreich und später auch in Großbritannien, in den USA und in Japan klagen.

Universal hat sich wegen des Videos derweil bereits mit einem weiteren Künstler auf einen Vergleich geeinigt – dem Vernehmen nach in Millionenhöhe. Den weitere Szenen des Films ähnelten Bildern eines anderen Fotografen aus den USA.