Gutachter Nummer eins plädiert dafür, dass Deniz E. weggeschlossen wird. Gutachter Nummer zwei sagt vor dem Landgericht Stuttgart dagegen, von dem Mörder Yvan Schneiders gehe keine hochgradige Gefahr aus.

Stuttgart - Zwei Gutachter, zwei Meinungen: Am Mittwoch hat Joachim Schramm seinem Kollegen Gunter Joas vor der 3. Strafkammer des Landgerichts widersprochen. Anders als Joas kann Schramm bei Deniz E. „keine hochgradige Gefahr für die Begehung schwerster Straftaten“ erkennen. Das bringt die Richterinnen und Richter, die über die nachträgliche Sicherungsverwahrung des Mörders Yvan Schneiders entscheiden müssen, in die Zwickmühle.

 

In vielen Punkten sind sich die zwei psychiatrischen Gutachter einig. Auch Schramm bescheinigt dem 29-Jährigen, der 2007 den Gymnasiasten Yvan Schneider in Rommelshausen erschlagen, zerstückelt und Teile seines Körpers einzementiert in Blumenkübeln im Neckar versenkt hat, massive Reifeverzögerungen. Deniz E., der seine zehnjährige Haft verbüßt hat, zeige eine Empathieschwäche und Verantwortungslosigkeit, er neige zu Regelverstößen, suche die Schuld gern bei anderen und habe eine niedrige Schwelle zur Anwendung von Gewalt. Deniz E. leide an einer Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen, habe völlig überzogene Besitzansprüche und das Verlangen nach totaler Macht und Kontrolle. Der Mord an Yvan Schneider, eine „aberwitzige Tat“, so Schramm, sei jedoch eine Gruppentat mit willfährigen Komplizen gewesen. Zu allem Übel sei bei Deniz E. in der Haft keine kriminalvorbeugende Arbeit gelungen. Besteht also eine „hochgradige Wahrscheinlichkeit“, dass der 29-Jährige wieder schwerste Straftaten begeht?

Der andere Gutachter bleibt bei seiner Meinung

„Nein“, sagt Schramm, dafür gebe es keine Anhaltspunkte. Es könnte sein, dass es zu gebrochenen Nasen, blau geschlagenen Augen oder Drogendelikten komme, aber: „Das sind Amtsgerichtssachen“, so Schramm.

„Denkbar ist vieles, aber eben nicht hochwahrscheinlich“, sagt der Gutachter.

Deniz E. habe sich klar von seiner Tat distanziert, er sei ein schwieriger Gefangener gewesen, eine konkrete Gefahr sei im Vollzug aber nicht von ihm ausgegangen. Selbst als Deniz E. wegen zu hohen Medikamentengaben in der Haft in eine Psychose geraten war, sei er nicht gewalttätig geworden.

Der zweite Gutachter bleibt bei seiner Expertise. Deniz E. sei „sehr, sehr krank“, leide an einer komplexen Persönlichkeitsstörung und bedürfe dringend einer mehrjährigen Therapie. „Ich bleibe bei der hochgradigen Gefahr“, so Joas. „Der Schluss, dass er wieder schwerste Straftaten begehen könnte, ist nicht zulässig“, sagt dagegen Gutachter Schramm.

Am 9. April werden der Oberstaatsanwalt und die beiden Verteidigerinnen plädieren. Am 11. April könnte die 3. Strafkammer das Urteil verkünden. Sollte sie sich gegen eine nachträgliche Sicherungsverwahrung aussprechen und sollte dies rechtskräftig werden, wird Deniz E. in die Türkei abgeschoben. Diese Verfügung ist rechtskräftig.