Das Landgericht Stuttgart hat einen Mann wegen versuchten Totschlags verurteilt. Er hatte einem Kumpel mit einem Messer schwere Kopfverletzungen zugefügt. Das Opfer ist ratlos.

Stuttgart - Im Endeffekt haben beide Männer Glück im Unglück gehabt. Das 41-jährige Opfer ist zwar schwer am Kopf verletzt worden, hätte aber auch tot sein können. Dann wäre der 40 Jahre alte Angeklagte wegen Totschlags verurteilt worden. So schickten ihn die Richterinnen und Richter der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts wegen versuchten Totschlags und wegen gefährlicher Körperverletzung für vier Jahre und sechs Monate hinter Gitter.

 

Zusätzlich verfügte die Kammer, dass der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt untergebracht wird. Denn laut der Vorsitzenden Richterin Ute Baisch ist der Angeklagte seit Jahrzehnten alkoholabhängig. In der Nacht auf den 26. August vorigen Jahres, als der Mann um ein Haar seinen Kumpel in Zuffenhausen umgebracht hätte, hatte der Angeklagte über drei Promille Alkohol im Blut.

Streit um Staatspräsident Erdogan

Die zwei Männer, beide sind türkischer Abstammung, können wohl als typische Alkoholkumpel gelten. Gegenüber einem Supermarkt in Zuffenhausen gibt es einen „Trink-Treff“, dort hatten sich die Männer kennengelernt. Es hat wohl irgendwie gepasst, denn der 40-Jährige überließ seinem neuen Kumpanen sogar einen Schlüssel für seine Wohnung.

Dort hatte man sich in besagter Nacht mit einem weiteren Zechkumpanen eingefunden, um Bier und Hochprozentiges zu verkosten. Das spätere Opfer schimpfte auf den türkischen Staatschef Erdogan, der Angeklagte – selbst Erdogan-Gegner – zeigte sich zunehmend genervt. Sein Ärger schaukelte sich so weit hoch, dass er mit einem Messer in der Hand zu einem Nachbarn, einem angeblichen Erdogan-Freund, hinaufsteigen wollte. „Ich gehe jetzt hoch und mache ihn fertig“, soll der Angeklagte gesagt haben – was seine Freunde zu verhindern wussten.

Drei Messerhiebe gegen den Kopf

Damit war die Situation jedoch nicht entschärft. Der Angeklagte, der in Ermangelung von Marihuana gern auch mal Kräuter aus dem Supermarktregal raucht, wandte sich nun gegen seinen Mitbewohner. Mit einem Küchenmesser fügte er ihm einen tiefen Schnitt auf der Kopfoberseite zu. Es folgten zwei weitere Messerhiebe gegen die Wange und das Ohr. Vor allem Letzterer hätte leicht eine Halsschlagader erwischen können. Dann soll der 41-Jährige noch versucht haben, seinem Kumpel in die Brust zu stechen. Der dritte Mann schaffte es, den Messerstecher niederzuringen.

Die Version des Angeklagten, so Richterin Baisch, er habe in Notwehr gehandelt, sei widerlegt. „Das passt nicht zum Verletzungsbild.“ Auch die spätere Unfallvariante des Angeklagten wurde ins Reich der Fabel verwiesen.

Am Ende bleibt ein ratloses Opfer zurück. „Ich weiß bis heute nicht, warum er das getan hat“, so der widergenesene 41-Jährige.