Zwei Brüder aus Hamburg müssen sich vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten, weil sie Medikamente im Millionenwert gefälscht und verkauft haben sollen. In den Schilderungen klingt der Betrug wie ein Spaziergang.
Stuttgart - Quälen Geschwüre in Magen oder Darm einen Patienten, greift er gerne mal zu Omeprazol. Das haben sich zwei Brüder aus Hamburg nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zunutze gemacht. Laut Anklage fälschten sie das Medikament im großen Stil. Von 2008 bis 2013 sollen mehr als 600 000 ihrer Packungen für 14,9 Millionen Euro verkauft worden sein. Der Vorwurf lautet auf Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Ratiopharm in Ulm hatte Anzeige erstattet und fordert 2,8 Millionen Euro Schadensersatz. Wegen der Bedeutung der Wirtschaftsstrafsache ist das Stuttgarter Landgericht zuständig.
Der ältere Bruder gilt als Strippenzieher
In den Schilderungen des älteren Bruders, der als Strippenzieher gilt und die Vorwürfe einräumt, klingt der Betrug wie ein Spaziergang. „Überrascht und schockiert sei er gewesen“, sagte der 55-Jährige vor Gericht, dass es keine Sicherung gebe. Er betonte mehrfach, dass er weder Nachweise noch Zulassungen zeigen musste.
Der studierte Pharmazeut hatte zunächst eine eigene Apotheke, bis unglückliche Anlagespekulationen ihn in die Insolvenz trieben. Nach diversen Jobs in seiner Branche habe er „einfach mal antesten wollen“, ob es möglich sei, eine vollständige Kopie eines Medikaments herstellen zu lassen und über Apotheken zu verkaufen.
Gesundheitliche Schäden hat es wohl nicht gegeben
Das Mittel sollte ein Nachahmerpräparat sein, weil es dann mehrere Hersteller gibt. Und: „Es durfte kein Produkt sein, von dem eine Gefahr ausging“, so der Angeklagte. Gesundheitliche Schäden bei Patienten gab es nach aktuellen Erkenntnissen nicht.
Einen Hersteller habe er in Spanien gefunden. Das Land sei führend in der Medikamentenherstellung in Europa. Dort ließ er Omeprazol nach seinen Vorgaben fertigen. Meist waren es Kügelchen, die in farblich passende Kapseln abgefüllt wurden. Das gefälschte Medikament hatte laut Staatsanwalt einen hohen industriellen Standard, entsprach aber nicht der Originalzusammensetzung.
Angeklagter: „Ich musste auf den Markt reagieren.“
Die Hersteller, die der Angeklagte kopierte, wechselten. „Ich musste auf den Markt reagieren.“ Entscheidend war, welches Produkt jeweils von den Krankenkassen den Zuschlag bekam. Unter anderem nahm er Hexal und Ratiopharm aufs Korn. Bei Hamburg wurden die Kapseln in Fläschchen abgefüllt, etikettiert, sowie mit einer kopierten Verpackung des Originals und mit Beipackzetteln ausgestattet. Hierbei habe sein 51-jähriger Bruder die Aufsicht geführt, sagte der Angeklagte.
Selbst Verfallsdaten und Chargennummern ließ der 55-Jährige aufdrucken. Über einen Zwischenhändler bei Darmstadt brachte er sein Medikament in den Handel. Selbst in Apotheken wurde es verkauft.
Weinsammlung im Millionenwert
14,9 Millionen Euro hat der Verkauf laut Anklage gebracht. Viel Geld floss bar. Der 55-Jährige bezahlte seinem Bruder rund 3500 Euro im Monat. Er selbst bediente sich nach Bedarf beim Bargeld, das er in einer Weinkiste aufbewahrte. Kleidung und Reisen habe er sich gegönnt, sagte er. Wie viel er ausgegeben habe, könne er nicht sagen. Die rund eine Million Euro teure Weinsammlung mit Flaschen im Wert von bis zu 2000 Euro habe er weitgehend schon vorher gehabt.
Das Ganze flog auf, als Patienten eine falsche Wirkstoffangabe auf dem Beipackzettel entdeckten und sich an Ratiopharm wandten. Seit März 2013 sind die Brüder in Untersuchungshaft. Der 55-Jährige hofft, durch sein Geständnis möglichst schnell nach Hamburg zu seinen Töchtern und seinem Ziehsohn zurückkehren zu können. Der Prozess wird am 16. Mai fortgesetzt.