Landtagswahl in Baden-Württemberg Die großen Duelle im Südwesten

Helmut Schmidt (links), damals Bundeskanzler und Erhard Eppler, SPD-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg, sitzen während 1980 der Abschlussveranstaltung der Partei zur bevorstehenden Landtagswahl in Baden-Württemberg auf der Bühne. Foto: dpa/Norbert Försterling

Winfried Kretschmann und Susanne Eisenmann liefern sich einen Zweikampf um die politische Führung im Land. Derartige Duelle prägen die Geschichte schon länger.

Stuttgart - Wenn am Montagabend Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Herausforderin Susanne Eisenmann im TV-Duell aufeinandertreffen, dann hat diese Zuspitzung auf zwei Personen eine lange Tradition in Baden-Württemberg. Schon zu Beginn des Südweststaates standen sich ein konservativer und ein liberaler Kandidat gegenüber.

 

Reinhold Maier gegen Gebhard Müller

Gebhard Müller (CDU) war 1952 bereits Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern, einem der drei von den Alliierten im Südwesten geschaffenen Bundesländern. Erst im Dezember 1951 hatten sich die Bürger in einer Volksabstimmung knapp für die Bildung eines Südweststaates ausgesprochen. Nun stand im März 1952 die Wahl der verfassungsgebebenen Versammlung an. Die CDU wurde mit 50 Mandaten stärkste Partei und rechnete damit, den Ministerpräsidenten zu stellen.

In einer tumultartigen Sitzung am 25. April wurde jedoch nicht Müller, sondern der FDP-Mann Reinhold Maier zum Regierungschef gewählt. Ein Husarenstreich, er hatte sich mit der SPD und der Heimatvertriebenenpartei BHE abgesprochen. Unmittelbar darauf blickte er auf die Taschenuhr und verkündete „um 12.30 Uhr“ die Auflösung der drei alten Bundesländer und die Gründung des neuen.

Ein Jahr blieb Maier in der Villa Reitzenstein, dann räumte er das Feld für Gebhard Müller als Chef einer Allparteienregierung. Die CDU stellte danach 58 Jahre lang den Ministerpräsidenten – doch nicht den ersten nach der Gründung. Diese Ehre bleibt für immer den Liberalen, dank einer „taktischen Meisterleistung“, wie es der Göttinger Parteienforscher Franz Walter 2005 in einem Aufsatz über Reinhold Maier ausdrückte.

Filbinger gegen Eppler

Gut 25 Jahre später prägte ein weiteres Duell die Landespolitik – diesmal spielte die in Baden-Württemberg traditionell schwache SPD eine Hauptrolle. Bei der Landtagswahl 1976 traf Erhard Eppler als Spitzenkandidat auf den früheren Marinerichter Hans Filbinger. Epler war ein linker Vordenker. Unter Willy Brandt Minister in Bonn, wurde er wegen seiner moralischen Integrität bis zu seinem Tod im Jahr 2019 respektiert. Bei den Landtagswahlen 1972 hatten die Sozialdemokraten später nie wieder erreichte 37,6 Prozent erzielt.

Filbinger war 1966 eine große Koalition mit der SPD eingegangen, um einer sozialliberalen Regierung zuvorzukommen, die die FDP anstrebte. Ein zweiter „Husarenstreich“ war verhindert. Als Ministerpräsident hatte er die bisher noch selbstständigen CDU-Landesverbände zu einem vereinigt. Im Bündnis mit der SPD wurden ab 1971 in einer Verwaltungsreform die Landkreise und Gemeinden neu zugeschnitten. Zur Landtagswahl 1976 trat Filbinger mit dem Slogan „Freiheit oder Sozialismus“ an – die SPD witterte unter Eppler Morgenluft.

Zwar gewann Filbinger mit 56,7 Prozent, dem besten jemals erzielten Ergebnis der Union in Baden-Württemberg – doch musste er 1978 wegen seiner Vergangenheit als NS-Marinerichter zurücktreten. Sein Versuch, Todesurteile gegen Deserteure zu rechtfertigen („Was damals Recht war, kann heute kein Unrecht sein“), machte ihn letztlich untragbar.

Lothar Späth gegen Dieter Spöri

Noch einmal versuchte die SPD, die Vorherrschaft der CDU zu brechen, und zwar 1988 durch einen strategisch gänzlich anderen Ansatz. Statt eines intellektuellen Kopfes stellten die Sozialdemokraten Dieter Spöri, einen promovierten Wirtschaftswissenschaftler, auf, der im Bundestag Finanzexperte der SPD war. „Dr. Dieter Spöri, ja zum neuen Fortschritt“, lautete der Slogan. So wollte man dem „Cleverle“ Lothar Späth entgegentreten, der die Nähe zu Unternehmensführern suchte und das Bundesland durch eine Wirtschaftspolitik prosperieren ließ.

Doch auch mit diesem Ansatz hatten die Sozialdemokraten kaum Erfolg. Späth verteidigte 1988 zum dritten Mal die absolute Mehrheit der CDU, die er nach dem Rücktritt von Filbinger 1978 quasi geerbt hatte. Spöri versuchte es noch zwei weitere Male, 1992 gegen Erwin Teufel mit dem Slogan „Von Wirtschaft versteht er mehr“. Obwohl ihm Experten durchaus Sachverstand zubilligten, konnte er damit die Meinungsführerschaft der CDU nicht brechen. „Der Daimler-Arbeiter schimpft Freitags über die CDU, am Sonntag wählt er sie dann“, war damals ein geflügeltes Wort in der Landes-SPD.

Selbst als Spöri Wirtschaftsminister in der großen Koalition von 1992 an war, zahlte sich dies für die Partei nicht aus. Zwar galt er im Ministerium als beliebt und fleißig. Doch als die Südwest-SPD 1996 mit 25,1 Prozent das bis dato schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erzielte, trat er zurück. Sein erster Gegner Lothar Spät war 1991 über die „Traumschiff-Affäre“ gestolpert – er ließ sich vom Chef des Unternehmens SEL in die Ägäis zu einem Urlaub einladen. Späth wurde später in Thüringen Chef der Jenoptik.

Kretschmann gegen Mappus

Was der SPD in fast 60 Jahren nicht gelungen war, nämlich die CDU von der Macht zu vertreiben, das gelang den Grünen 2011. Die politische Großwetterlage war günstig: Grüne Themen lagen im Trend, der Streit über das Bahnprojekt Stuttgart 21 trieb der Partei viele Anhänger zu – und der knorrige, bürgerlich auftretende Kretschmann hatte in Stefan Mappus einen Regierungschef als Gegner, der polarisierte.

Das TV-Duell war zudem vom Schwarzen Donnerstag geprägt, dem überzogenen Polizeieinsatz gegen S-21-Gegner im Stuttgarter Schlossgarten. Mappus war in der Defensive, versuchte in der Fernsehdebatte von Dialog und Kompromiss zu sprechen – doch das passte nicht zu seinem Regierungsstil. Kretschmann präsentierte sich als auch für bürgerliche Kreise wählbarer, pragmatischer Politiker.

Obwohl die SPD damals noch deutlich mehr Abgeordnete im Landtag hatte und in Umfragen gleichauf lag, inszenierte sich Kretschmann als der tatsächliche Gegenkandidat zu Mappus – bei der Landtagswahl 2011 lagen die Grünen vor der SPD.

Weitere Themen