Vor fünf Jahren stand der FDP bei der Landtagswahl der Schock ins Gesicht geschrieben: abgestürzt von 10,7 auf 5,3 Prozent, in Stuttgart gerade mal 6,1 Prozent erreicht. Heute hat sich die Stimmungslage geändert.

Stuttgart - Häme, Spott, Nichtbeachtung – für den FDP-Kreischef Armin Serwani und seinen Schatzmeister Wolfgang Voelker war es eine harte Zeit nach desaströsen Niederlagen. Die Landtags- und Bundestagswahlen kosteten die Regierungsbeteiligung und in Berlin sogar die Mandate im Parlament. Aber auch bei den Kommunalwahlen wurde Blau-Gelb heftig abgestraft für allzu viel Übermut und die Diskrepanz zwischen den forschen Worten vor den Wahlen und den kleinmütigen Taten danach. Am 13. März soll alles anders werden. Mit dem neuen Bundesvorsitzenden Christian Lindner, dem kämpferischen Spitzenkandidaten Hans-Ulrich Rülke und der Farbe Magenta im früher blau-gelben Plakatallerlei wollen die Liberalen zulegen – auch in ihrer einstigen Hochburg Stuttgart.

 

Vor fünf Jahren stand der FDP am Abend der Landtagswahl der Schock ins Gesicht geschrieben: landesweit von 10,7 auf 5,3 Prozent abgestürzt, in Stuttgart gerade mal 6,1 Prozent der Stimmen geholt, vom Koalitionspartner der seit 1996 amtierenden CDU-FDP-Landesregierung zur kleinen Oppositionspartei geschrumpft – mit gerade mal sieben Abgeordneten, dazu keinem aus Stuttgart. Das konnte der Kreischef und Regionalrat Armin Serwani nur ertragen, weil der GAU nach der Fukushima-Katastrophe und dem „Mappus-Malus“ (Serwani) kein Super-GAU war. „Wir sind noch im Landtag, damit muss man unter diesen Umständen sogar zufrieden sein“, sagte er vor fünf Jahren.

FDP ist als möglicher Koalitionspartner begehrt

Mittlerweile hat sich die Stimmungslage geändert. Die Umfragen prophezeien der FDP den sicheren Einzug in den Landtag, angesichts der unübersichtlichen Lage ist sie als Koalitionspartner begehrt wie lange nicht mehr – und trotz der Präferenz für die CDU betont Serwani in bestem Rülke-Sprech: „Wir können auch Opposition“. Es ist keine Rede mehr davon, dass der FDP im liberalen Stammland das passieren könnte, was bei der Bundestagswahl 2013 geschah: das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Und so muss Serwani auf die Frage nach dem liberalen Schreckensszenario zweimal schlucken, ehe er sagt: „Natürlich geht’s ums Ganze. Wenn wir es nicht schaffen, hätte das bundesweite Folgen.“

Doch die liberalen Wahlkämpfer erwarten einen Erfolg. „Positive Stimmung“ an den Ständen, erlebt Voelker: „Die Leute reden wieder mit uns, weil sie eine Partei suchen, die nicht sozialdemokratisch ist“. Das mache die FDP attraktiv für Wirtschaftsliberale, aber auch Bürgerrechtsliberale kämen zurück wegen der „grünen und schwarz-roten Verbotspolitik“, glaubt Serwani. Landespolitisch setzt die Partei vor allem auf ihre Botschaften in der Bildungs- und Verkehrspolitik – auch wenn die Optik und die mitunter bemüht wirkenden Sprüche auf den Plakaten („Es heißt Fahrzeug nicht Stehzeug“) nicht überall ankommen.

Partei hofft auf einen Abgeordneten aus Stuttgart

Personell decke die Stuttgarter Partei die Themen gut ab, meint Serwani: Der Stadtrat und IT-Selbstständige Michael Conz tritt im Wahlkreis Stuttgart I an, die früher bei Bosch beschäftigte Unternehmerin und Diplom-Volkswirtin Gabriele Reich-Gutjahr im WK Stuttgart II, die Fachanwältin Gabriele Heise im WK Stuttgart III und Jan Havlik, der Berater der FDP-Landtagsfraktion ist, im WK Stuttgart IV. Landesweit hofft Serwani auf mindestens zehn Abgeordnete, darunter einen aus Stuttgart. Reich-Gutjahr werden die besten Aussichten eingeräumt, „aber auch Conz ist nicht chancenlos“, macht Serwani in Optimismus. Der Kreisverband steckt rund 40 000 Euro in der Wahlkampf – nicht enthalten ist das finanzielle Engagement der Bewerber.

Zum dem den Wahlkampf beherrschenden Thema Flüchtlingspolitik wagt die FDP den Spagat – einerseits fährt sie einen deutlichen Anti-Merkel-Kurs, andererseits grenzt sie sich von der AfD ab. Es gebe auch in Stuttgart „große Unruhe in den Stadtbezirken“ wegen der Unterbringung, sagt Serwani. Die Aussagen der AfD zur Thematik nennt er aber „unsäglich“, ihre Vertreter „geistige Brandstifter“ – und meint damit auch den Ex-Chef der FDP-Gemeinderatsfraktion Bernd Klingler, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, Fraktionsgelder veruntreut zu haben, und der nach innerfraktionellen Querelen zur AfD wechselte, wo er jetzt sogar Aussichten hat, von der ausländerfeindlichen Welle in ein gut dotiertes Abgeordnetenmandat getragen zu werden.

Zu Klingler will Serwani aber nichts sagen, viel lieber spricht er, der seit 41 Jahren Parteimitglied ist, über die neue Farbenlehre der FDP: „Alles wirkt viel frischer. Ich habe mich an Magenta gewöhnt.“

Die FDP kommt von ganz unten

Ausgangslage
: Bei der Wahl im März 2011 war die FDP im Südwesten mit 5,3 Prozent und in der Landeshauptstadt mit 6,1 Prozent auf das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte abgestürzt. Keiner ihrer vier Bewerber in Stuttgart, das mal als liberale Hochburg galt, schaffte den Sprung in den Landtag, in dem zuvor Dieter Bachmann aus dem Wahlkreis Stuttgart II (Filder) saß. Der Stuttgarter Kreisverband hat momentan rund 480 Mitglieder. Abgeordnete:
Im Bundestag ist die FDP seit 2014 nicht mehr vertreten, im Landtag ist sie als kleinste Fraktion in der Opposition. Keiner der sieben Abgeordneten kommt aus Stuttgart. Der vierköpfigen Fraktion der Regionalversammlung gehört der Stuttgarter FDP-Chef Armin Serwani an. Nach dem Wechsel von Bernd Klingler zur AfD bilden die drei FDP-Stadträte keine Fraktion mehr. Als Gruppe haben sie weniger Rechte und Geld im Gemeinderat.

Termine:
Im Landtagswahlkampf setzt die FDP neben dem Spitzenkandidaten Hans-Ulrich Rülke ganz auf Parteichef Christian Lindner, der rund 40 Termine in Stuttgart wahrnimmt – so besuchte er mehrere Firmen, sprach beim Neujahrsempfang der Stuttgarter FDP im Literaturhaus und auf einer Party im Mash Stuttgart. Lindner und Rülke werden auch auf der Abschlusskundgebung am Dienstag, 9. März, um 20 Uhr in den Wagenhallen sprechen.

Die Ausgangslage der Grünen in Stuttgart bei der Landtagswahl beschreibt StZ-Redakteur Jörg Nauke hier, die der CDU beschreibt er hier und StZ-Redakteur Thomas Durchdenwald analysiert das Ringen der SPD hier.