Und wie haben Sie es schließlich geschafft, sich den Kings Club zurückzuerobern?
Ich musste wieder Kredite aufnehmen. Ich habe es geschafft, in drei Jahren zwei Millionen Mark an Krediten aufzunehmen. Ohne eigenes Geld. Ich habe nur noch gearbeitet. Mittlerweile ist alles abbezahlt.
Sie engagieren sich in Stuttgart seit vielen Jahren ehrenamtlich. Seit Mai sitzen Sie für die Linke im Gemeinderat. Wie sind Sie in die Politik gekommen?
Ich habe immer für die Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung gekämpft. Ich wollte meiner Stimme immer noch mehr Kraft geben. In der Politik hat sie ein anderes Gewicht. Bevor ich in den Gemeinderat gewählt wurde, war ich schon fünf Jahre im Bezirksbeirat Nord aktiv. Dort habe ich Frauenprojekte mitgegründet, habe mich in Projekten gegen Sucht und für Prävention engagiert. Mir war es wichtig, damit zu zeigen, wie viel man in Stuttgart bewirken kann. Ich lebe hier, ich liebe diese Stadt.
Wenn Sie den Großen Sitzungssaal betreten, fallen Sie schon durch Ihr Äußeres auf.
Ich bin im Rathaus sehr gut aufgenommen worden. Die meisten kannten mich seit vielen Jahren, die erkennen an, dass wir eine wichtige Arbeit leisten, dass sich die Gay-Community für Stuttgart engagiert.
Haben Sie sich einmal über einen Redebeitrag im Gemeinderat richtig geärgert?
Nein, wenn ich etwas höre, das mir nicht gefällt, verdränge ich es. Außerdem nehme ich verschiedene Steine für verschiedene Sitzungen in den Gemeinderat mit. Die Steine geben mir Kraft, ich bin ja eine Hexe.
Würden Sie manche Debatte gerne wegzaubern, wenn es sehr ermüdend wird?
Nein. Ich habe mir die Bereiche Gesundheit und Soziales ausgesucht, auch den Internationalen Ausschuss. Ich kann mich mit den Themen identifizieren, habe ja alles selbst erlebt und fühle mich deshalb in jeder Position zu Hause: alleinstehend, geschieden, schwul, Ausländerin – wenn ich jetzt noch schwarz wäre, wäre es komplett.
Wenn man auf Ihr Leben blickt, sieht man die Geschichte eines Menschen, der ganz am Rand der Gesellschaft angefangen hat und in ihrer Mitte angekommen ist. Können Sie das manchmal selbst kaum glauben?
Ich staune und ich lache manchmal darüber, wenn ich daran denke, wie ich vor vielen Jahren nach Hamburg gekommen bin. Ich hatte nichts, aber ich hatte diese unheimliche Kraft, leben zu wollen.
Wir haben gehört, dass Ihr Sohn inzwischen auch in der Politik Karriere macht.
Mein Sohn Raul ist kürzlich in Gummersbach Finanzbürgermeister geworden. Vielleicht macht es ihm deshalb so viel Spaß, mit Finanzen zu arbeiten, weil ich immer so viele Schulden hatte. Manchmal habe ich mich schon gefragt, ob ich meine Kinder in einen Lebenskampf hineingetrieben habe.
Was sagen Ihre Kinder heute dazu?
Die sagen: „Nein, Mama, wir haben nicht gelitten, Du hast uns stark gemacht! Wir haben gemerkt, dass alle Menschen gleich sind.“Das gefällt mir, wenn sie so reden.