Alexander Erdland, der Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, glaubt, dass die Lebensversicherer auch künftig die gemachten Garantiezusagen weiter einhalten können.

Herr Erdland, die Niedrigzinsphase ist sowohl für die Kunden als auch für die Versicherer schmerzlich, weil sie kaum noch Zinsen erhalten. Wie lange halten die Lebensversicherer die Nullzinspolitik noch durch?
Die deutschen Lebensversicherer sind längst dabei, ihre Geschäftsmodelle an die Niedrigzinsphase anzupassen. Wir haben uns darauf eingestellt, dass die Zeit mit Nullzinsen länger dauern könnte als wir das früher gedacht haben. Die Versicherer haben eine Zinszusatzreserve aufgebaut, ihre Kapitalanlagepolitik geändert und Produkte mit veränderten Garantiezusagen eingeführt. Insofern rüsten wir uns. Das zeigt sich auch bei den Kosten, die wir spürbar gesenkt haben. Die Verwaltungskosten sind 2016 trotz Lohnsteigerungen von 2,04 Milliarden Euro auf 1,99 Milliarden Euro gesunken. Die Lebensversicherer werden mit diesen Maßnahmen ihre Zinsversprechen auch in schwierigerem Umfeld einhalten.
Es gibt Berichte, wonach Versicherer mit dem Rücken zur Wand stehen, weil sie die versprochenen Garantien aus der Vergangenheit kaum noch erfüllen können. Müssen sich die Kunden Sorgen machen?
Die Kunden können davon ausgehen, dass die Lebensversicherer die versprochenen Leistungen erbringen. Daran haben die einzelnen Unternehmen, aber auch die Branche allergrößtes Interesse. Gleichwohl stellt die Niedrigzinsphase insbesondere für neue Kunden ein Problem dar, weil sie wie bei anderen Finanzprodukten nur noch wenig Zinsen bekommen. Hieran muss sich etwas ändern, denn nur so nimmt die Sparneigung wieder zu.
Die Teuerungsrate ist in Deutschland zuletzt wieder etwas gestiegen. Die USA haben die Zinswende schon vor längerer Zeit eingeleitet. Rechnen Sie bald mit einer Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB)?
Auch auf dem europäischen Kapitalmarkt sehen wir, dass die längerfristigen Zinsen gestiegen sind. Vom Zinstief aus dem letzten Sommer haben wir uns ein Stück weit entfernt. Insofern vollzog der Markt bereits eine Zinswende. Unterstützt wird dies durch eine gute gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Wir sehen auch, dass die Inflation gestiegen ist. Damit sind die Voraussetzungen für die EZB-Politik gegeben, um auch ihrerseits die Zinswende einzuleiten. Die EZB sollte bald entsprechende Zeichen in ihrer Kommunikation setzen. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Notenbank. Sie hat ihre Geldpolitik auch mit der Gefahr von Deflation (sinkendes Preisniveau) begründet. Eine Deflationsgefahr liegt längst hinter uns. Ich hoffe, dass die EZB ihre Kommunikation rasch umstellt. Das wäre das richtige Signal auch an hoch verschuldete Euroländer, ihren Staatshaushalt in Ordnung zu bringen.
Läge nicht auch in einem raschen Zinsanstieg eine Gefahr für Lebensversicherer? In diesem Fall wären wegen der Kursverluste bei festverzinslichen Wertpapieren hohe Abschreibungen fällig.
Ein sehr starker, abrupter Zinsanstieg würde sowohl Lebensversicherer als auch andere Finanzakteure herausfordern. Auch deshalb ist es wichtig, dass die EZB ihre Geldpolitik rechtzeitig und dann schrittweise umstellt, damit die Finanzmärkte nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden. Eine behutsame, schrittweise Zinserhöhung erleichtert es den Lebensversicherern, ihre Kapitalanlagen umzusteuern. So werden Brüche vermieden.
Die Kernkompetenz der Lebensversicherer besteht darin, den Kunden einen verlässlichen Zuwachs bei der Altersvorsorge zu garantieren. Wegen der Niedrigzinsen wollen viele Versicherer keine verbindlichen Renditezusagen mehr geben. Gehören Garantien der Vergangenheit an?
Garantie ist ein großes Wort. Wir waren es früher gewohnt, bei Lebensversicherungen an den jahrzehntelang gültigen Garantiezins zu denken – Versicherungen sagen über einen langen Zeitraum diesen Garantiezins zu. Das wird am Markt immer weniger angeboten. Das liegt daran, dass Zinsentwicklungen nicht mehr so verlässlich vorausgesagt werden können wie in der Vergangenheit. Zinsversprechen über Jahrzehnte hinweg sind ein großes Wagnis geworden. Die Lebensversicherer bieten weiter Garantien an, die aber anders aussehen als früher. Wir sprechen von Produkten mit modifizierten Garantien. Das Ziel ist, Kunden stärker an Renditechancen zu beteiligen. Das geht nur, wenn man Garantien einschränkt. Die Kunden wollen weiter Sicherheit, haben aber auch erkannt, dass gerade in Niedrigzinsphasen hohe Garantien viel Geld kosten – das geht zu Lasten der Versicherten. Wir wollen aber nicht ganz weg von Garantien. Es bleibt dabei, dass die Stärke der Lebensversicherung darin liegt, bei steigender Lebenserwartung Mindestrenten zu garantieren. Unser Alleinstellungsmerkmal besteht darin, eine lebenslange Rente in Form einer privaten Rentenversicherung fest zuzusagen.
Wegen der Nullzinsen sparen die Menschen weniger. Welche Folgen sehen Sie für die Altersvorsorge?
Positiv ist zunächst, dass die Sparquote weiterhin hoch ist. Die Sparneigung nimmt aber ab. Das bedeutet für die Altersvorsorge, dass später zu wenig Geld da ist. Die Leistungen der gesetzlichen Rente sind aus demografischen Gründen begrenzt. Das Rentenniveau des sogenannten Eckrentners liegt heute bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens. Dieser Wert wird weiter zurückgehen. Deshalb soll die betriebliche Altersvorsorge gestärkt werden. Die private Vorsorge, also Riester, muss folgen. Für die kapitalgedeckte Altersvorsorge gilt: bei niedrigen Zinsen muss mehr gespart werden, weil der Zinseszinseffekt geringer ist.
Mit der Reform der Betriebsrente plant die große Koalition eine Aufstockung der Förderung für die Riester-Rente um elf Euro. Reicht das aus?
Die Förderung der Riester-Rente ist seit mehr als zehn Jahren nicht mehr angepasst worden. Wir brauchen dringend eine Anpassung der Förderung an die gestiegenen Einkommen. Der Staat profitiert massiv von der Niedrigzinspolitik, weil er für seine Schulden weniger Zinsen zahlen muss. Es wäre nur fair, einen Teil des Zinsvorteils an die Sparer zurückzugeben. Wir wünschen uns, dass die staatliche Förderung stärker steigt, damit sie bei den Menschen ankommt. Die vorgesehene kleine Anhebung hat aber immerhin einen hohen Symbolwert. Noch vor einigen Monaten übten Spitzenpolitiker Fundamentalkritik an Riester. Wenn jetzt die Förderung angehoben wird, ist das zumindest eine Bestätigung für die Fortsetzung von Riester. Es gibt immerhin 16 Millionen Riester-Verträge. Das ist für ein freiwilliges System nicht schlecht.