Die legendäre New Yorker Nobelherberge wird grundlegend umgebaut. Die neuen chinesischen Besitzer planen 1100 Luxus-Appartements für die Reichen aus Übersee. Verloren geht eine geschichtsträchtige Institution.

New York - Ward Morehouse III ist eine Erscheinung aus einer anderen Zeit. Einer, der sich geweigert hat, sich mit der Welt um ihn herum zu ändern. Der 76-Jährige sitzt in Nadelstreifen in einem der Plüschsessel der schummerigen Lobby des Waldorf-Astoria-Hotels, die Beine übereinander geschlagen, eine perfekte Ergänzung der Art-déco-Eleganz, die ihn umgibt. Morehouse wirkt wie ein Dandy der alten Schule, der gemeinsam mit dem Interieur um ihn herum im falschen Jahrhundert gelandet ist. Trotzdem: Ein Nostalgiker ist der Theaterkritiker und Schriftsteller Morehouse, der im Waldorf Astoria aufgewachsen ist, nicht. „Ich mag die Leute nicht, die immer behaupten, früher sei alles besser gewesen“, sagt er.

 

So kann Morehouse auch nicht in den Chor derjenigen einstimmen, die befürchten, dass die Veränderungen, die dem Hotel bevorstehen, das Ende der Institution bedeuten, die über weite Teile des 20. Jahrhunderts der Inbegriff New Yorker Glamours war. „Ich glaube sogar, dass es besser wird als das, was wir jetzt haben.“ Die Rede ist von der Grundrenovierung des Hauses, das von seinen Erbauern in den 20er Jahren als „das großartigste Hotel aller Zeiten“ geplant war. Die neuen Besitzer – eine chinesische Versicherungsgesellschaft – wollen den legendären Wolkenkratzer an der Park Avenue komplett aushöhlen und für eine Milliarde Dollar umbauen. Dabei sollen 1100 Räume in Luxusapartments umgewandelt werden, die übrigen 500 Suiten sollen aufgewertet und modernisiert werden.

Morehouse wurde 1945 im Waldorf Astoria geboren

Für Morehouse markiert dieser Wandel nicht das Ende der Idee des Waldorf – das schon in seiner ersten Inkarnation aus den 1890er Jahren als Zentrum des sozialen Lebens der High Society gedacht war. Vielmehr glaubt er, dass das neue Waldorf diesen Ur-Gedanken des Hotels rettet.

Morehouse wurde 1945 im Waldorf Astoria geboren. Sein Vater, wie später er selbst einer der maßgeblichen New Yorker Theaterkritiker, lebte damals im Waldorf. Es war eine Existenz, die man heute nur noch aus Erzählungen kennt.

Das Hotel war der Lebensmittelpunkt der New Yorker Theaterwelt

Morehouse beschreibt diese Zeiten in seinem Buch über das Waldorf Astoria. Die New Yorker Theaterwelt war damals eine Clique, die sich gemeinsam durch die Tage und Nächte bewegte. Das Hotel diente ihr als Wohnzimmer, Schlafzimmer, Restaurant und Ballsaal zugleich. „Man traf sich im Lounge Café zum Frühstück. Nachmittags interviewte mein Vater die Stars und Regisseure. Dann nahm man seinen Cocktail, dinierte und bewegte sich ins Theater. Schließlich endete der Tag an der eichenholzgetäfelten Norsk Bar in der Lobby.“

Und dann waren da die legendären Bälle, wie etwa die jährliche Gala der Klatschreporterin Elsa Maxwell, die ebenfalls im Waldorf lebte. Jeder ihrer Bälle hatte ein Thema, und wenn es etwa Indien war, dann scheute sich das Management auch nicht, lebende Elefanten in den Grand Ballroom zu schaffen.

Der Ort, wo New York die Reichen und Mächtigen der Welt empfing

Das Waldorf Astoria war von Anfang an der Ort, an dem die Elite der Stadt gemeinsam lebte und feierte. Es war aber auch der Ort, wo New York die Reichen und Mächtigen der Welt empfing. Der Herzog und die Herzogin von Windsor stiegen hier ebenso ab wie Grace Kelly und Fürst Rainier von Monaco. US-Präsidenten von Franklin D. Roosevelt bis John F. Kennedy unterhielten eine Dauerresidenz, die sie nutzten, wann immer sie nach New York kamen. Roosevelt hatte einen geheimen Aufzug von den Zuggleisen, die unter dem Hotel verlaufen, direkt in seine Suite.

Das Konzept eines Residenzhotels für die Oberen Zehntausend stammte direkt von den Gründern, der Familie Astor. William Waldorf Astor, der Erbe eines der sagenhaftesten Vermögen der Welt, wollte um die Jahrhundertwende den Geist seines Elternhauses bewahren. Es sollte sich anfühlen wie ein offenes Haus für die Elite New Yorks. Das Waldorf war, wie der Städtetheoretiker Rem Koolhaas schrieb, eine Art Kommune des „reichsten einen Prozents“.

Die Kommune des Schönen und Reichen

Dieses Konzept veränderte sich auch nicht, als das ursprüngliche Waldorf Astoria an der 34. Straße dem neugebauten Empire State Building weichen und an die Park Avenue umziehen musste. Das neue Superhotel mit 40 Stockwerken, das einen gesamten Block einnimmt, erweiterte lediglich die Idee der Kommune der Schönen und Reichen und bezog im Zeitgeist des Internationalismus die Elite der ganzen Welt mit ein.

Die Architektur atmet noch immer die Dekadenz dieser Zeit. Die berühmte „Pfauenallee“ quer durch das Gebäude von der Park bis zur Lexington Avenue ist eine Abfolge von Fantasiekulissen: ein römisches Bad ohne Wasser, eine Empfangshalle aus toskanischem Marmor mit dem verschnörkelten Goldschmiede-Uhrturm, der schon die alte Astor-Residenz zierte, ein bibliotheksartiger Raum mit Täfelung aus weißer Eiche und mit Tiffany-Leselampen.

Broadway-Stars und Staatsgäste sucht man heute vergeblich

Das Publikum ist freilich nicht mehr ganz das, an das sich Ward Morehouse III noch erinnert. Broadway-Stars und Staatsgäste sucht man heute vergeblich. Obama etwa steigt zur UN-Vollversammlung im Lotte New York Palace ab, einem modernen Boutique-Hotel an der Madison Avenue. Stattdessen sieht man an einem heißen Tag im Waldorf Geschäftsleute und Touristen in Shorts und T-Shirts.

Die großen gesellschaftlichen Veranstaltungen finden auch längst anderswo statt. Hedgefund-Tycoon Stephen Schwarzman mietete etwa für seinen Geburtstag die Armory an der Park Avenue, die alte Armee-Exerzierhalle Manhattans. Das Top-Ereignis des Jahres ist der Ball des Metropolitan Museum. Das letzte große Event, an das sich Morehouse hier noch erinnern kann, war der achtzigste Geburtstag von Frank Sinatra 1995, einer der letzten prominenten Bewohner des Waldorf.

Superreiche Investoren aus Übersee werden einziehen

Die alten Zeiten kommen sicher auch durch die Renovierung nicht wieder. Aber vielleicht hat Morehouse ja recht, dass die Umwandlung vieler Einheiten in Luxusapartments ein wenig das elitäre Flair zurückbringt. Vielleicht sind ja die superreichen Investoren aus Übersee, die hier vermutlich einziehen, tatsächlich die wahre neue New Yorker Elite.