Lehrer-Werbung in Baden-Württemberg Ministerin Schoppers umstrittene Lehrerkampagne zahlt sich aus

Schreiend gelb und auch sonst nicht leise – Lehrerkampagne des Kultusministeriums Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Provokation gelungen – mehr Lehrkräfte am Start? Das Stuttgarter Kultusministerium zieht eine positive Zwischenbilanz seiner umstrittenen Werbekampagne um Junglehrer.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Die umstrittene Werbekampagne für Direkteinsteiger im Lehrerberuf hat Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) jede Menge Ärger mit den Lehrerverbänden und bundesweite Schlagzeilen eingebracht. Fast sechs Wochen nach dem Start ist Schoppers Haus aber auch ziemlich zufrieden mit dem Echo, das die provokanten Anzeigen unter anderem bei potenziellen Direkteinsteigern ohne Lehramtsstudium ausgelöst haben. Stand heute haben nicht nur 67 000 Interessenten auf die im Internet geschaltete Seite geklickt. Mehr als 32 000 von ihnen haben sich durch einen „Quickcheck“ auch auf ein ihrer eigenen Vorbildung entsprechendes Lehrereinstellungsportal des Landes weiterleiten lassen. Das wird von Schoppers Beamten als qualifiziertes Interesse gedeutet. Die Tendenz sei „gleichbleibend hoch“, heißt es weiter.

 

Ob die Provokation aufgeht?

Dabei hatte das am Stuttgarter Flughafen aufgehängte Großflächenplakat „Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit? Hurraaaa! Mach was Dir Spaß macht und werde Lehrer*in“ überwiegend scharfe Kritik der hiesigen Lehrerverbände ausgelöst. Sie fassten den Spruch als Faule-Säcke-Diffamierung ihres Berufsstandes auf. Schopper ließ daraufhin den Slogan präzisieren (Keinen Bock auf deine jetzige Arbeit). Derzeit hätten sich im Internetangebot des Hauses 300 Interessenten mehr an einer Beschäftigung als Vertretungslehrer registrieren lassen als im Durchschnitt der Vorjahre, heißt es im Kultusministerium. Das wird als weiteres Indiz gewertet, dass das Kalkül der provokanten Anzeigen aufgehen könnte.

Wer sich aufgrund der Anzeige für einen Unterrichtsjob an einer Schule im Südwesten interessiert, kann die Bewerbung gleich im Netz starten. Die eingereichten Unterlagen werden von den Regierungspräsidien überprüft. Läuft alles glatt und die Voraussetzungen für eine Einstellung sind erfüllt, kann man seine Stelle als Quereinsteiger bestenfalls bereits im neuen Schuljahr antreten. Schulanfang ist am 11. September, doch die Lehrereinstellung läuft erfahrungsgemäß weit über den ersten Schultag hinaus bis in den Winter hinein.

Bundesweiter Lehrermangel

Dass in Baden-Württemberg nach den Ferien alle offenen Stellen besetzt werden können, darf als ausgeschlossen gelten. Dazu ist der Lehrermangel zu groß. Ob und wie viel zusätzliches Lehrpersonal durch die Kampagne gewonnen wird, ist offen und bleibt das – der schwierigen Beweisführung wegen – vielleicht auch. Angesichts des Mangels hilft jede Kraft, die nach den Ferien zusätzlich anfängt, die Lücken der Unterrichtsversorgung wenigstens etwas zu verkleinern.

Ob Erfolge bei der Gewinnung zusätzlicher Kollegen die Lehrerverbände ihr ursprünglich scharfes Urteil über die Kampagne am Ende revidieren lässt? Einzig die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) blieb mit ihrer Kritik an dem „unglücklichen“ Plakat milde im Ton. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sprach von „ständiger Provokation“ und „Beleidigung“. Der Philologenverband sah die Lehrer durch die Suche nach dem „Null-Bock-Lehrer“ verhöhnt. Vor der Kampagne habe man nicht gewusst, „wie viel Blödheit auf ein einziges Plakat passt“, wetterte der Reallschullehrerverband.

Im Rückblick verwundert es, dass die Emotionen trotz einer Vorwarnung Schoppers so ins Kraut geschossen sind. Sie hatte alle Rektoren und Verbände zwei Wochen vor dem Kampagnenstart in einem Brief auf die Kampagne „auch mit etwas provozierenden Aussagen“ eingestimmt. Zugleich werde herausgehoben, wie abwechslungsreich und sinnstiftend die Arbeit mit jungen Menschen sei. Als vorauseilender Versuch, die Gemüter zu beruhigen, ist Schoppers Brief gescheitert. Aber grämen muss sie sich deshalb vielleicht gar nicht. Dass schlechte Publicity besser sei als gar keine und dass der Köder dem Fisch und nicht dem Angler schmecken müsse, besagen schließlich zwei alte Werbe-Maximen. Wenn nicht die Temperamente sämtlicher Akteure dagegen sprächen, könnte man fast ein abgekartetes Spiel vermuten. Von den Kampagnen anderer Bundesländer um die heiß begehrten Nachwuchspädagogen spricht jedenfalls keiner. Und die Kampagne hat den ersten Nachahmer in der Baubranche im Land gefunden. Da heißt das dann: „Bock auf einen Job, der dich stolz macht? Hurraaa! Dann jetzt bewerben: Bau – Dein Ding“

Wie die Werbeserie aufgebaut ist

Kampagne
Mal gelb auf lila, mal umgekehrt – die Farbgebung ist nicht leicht zu übersehen. So wirbt das Land um Direkteinsteiger ins Lehramt.

Motive
Acht Motive sollen Menschen ansprechen, die in ihrem aktuellen Job unzufrieden sind. „Kein Bock auf Deinen Job? Bloß weg hier?“, „Deine Arbeit ist booooring?“ oder „Du arbeitest für den Papierkorb?“. Dann bietet „Werde Lehrer*in“ vielleicht einen Ausweg – so die Anzeige.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Lehrermangel