Lehrermangel im Kreis Böblingen Mehr Augenmaß bei den Schulen

Zum Start ins neue Schuljahr gehen die Schülerzahlen im Kreis Böblingen nach oben Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das neue Schuljahr hat begonnen, die Probleme sind die alten geblieben: Lehrermangel, zu viel Unterrichtsausfall und dazu noch Verspätungen im Schülerverkehr.

Böblingen: Jan-Philipp Schlecht (jps)

So süß die Sommerferien in der ersten Septemberwoche ausklangen, so schrill läutete am vergangenen Montag in den Kinderzimmern wieder der morgendliche Wecker: Das neue Schuljahr hat begonnen. Und das mit erfreulichen Nachrichten. Im Kreis Böblingen stiegen die Schülerzahlen deutlich an. Ob Grund- oder Gemeinschaftsschulen, Real- und Werkrealschulen oder Gymnasien – alle Schularten freuen sich über mehr Anmeldungen. Nur, die Zahl der Lehrer wird auch in diesem Schuljahr nicht ausreichen, sie alle ohne Ausfälle zu unterrichten.

 

Auf dem Papier wurden zwar 94 neue Lehrkräfte eingestellt. Doch sobald die erste Erkältungswelle durch den Kreis zieht, wird landauf, landab wieder Unterricht ausfallen. Der Grund: es fehlt vielerorts an Vertretungskräften und Springern. Diese werden bei der Stellenplanung noch immer zu wenig berücksichtigt. Außerdem verschlimmert die gängige Praxis, junge Lehrkräfte zunächst nur befristet anzustellen und über die Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu schicken, die Situation noch zusätzlich.

Ein ganzes Jahr an Unterrichtsausfall

Die Folge ist massenhafter Unterrichtsausfall mit all seinen negativen Folgeerscheinungen: Lernrückstände bei den Kindern, zusätzliche Belastung der verbleibenden Lehrerinnen und Lehrer und ein Betreuungsproblem bei den Eltern. Eine Elternbeirätin in Böblingen rechnete den Unterrichtsausfall ihres Kindes, das ein Gymnasium besucht, mal auf die gesamte Schullaufbahn hoch. Das Ergebnis ist so verblüffend wie alarmierend: Unterm Strich fiel ungefähr ein gesamtes Schuljahr an Stunden aus. Das geht kaum ohne Abstriche an der Stoffvermittlung und zusätzliche Belastungen bei Schülern und Lehrern.

Die Politik sollte sich beeilen, diesen Missstand zu beheben. Denn im ganzen Land fehlen zwischen Wertheim und Waldshut noch immer 565 Lehrer, rechnete die Bildungsgewerkschaft zum Ende der Sommerferien vor. Das Kultusministerium wollte mit einer Werbekampagne am Stuttgarter Flughafen gegensteuern und mehr Menschen für den Lehrerberuf begeistern. Doch der Schuss ging bekanntlich nach hinten los: Die ganze Republik mokierte sich über den sehr missverständlichen Slogan „Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen? – Werde Lehrer!“ Das Ministerium ruderte zurück und will den Satz ausbessern. Doch der Imageschaden bleibt.

Stadtteil ohne Schule geplant

Politik und Gesellschaft mögen trefflich über all das streiten: Am Ende baden die Kinder die Engpässe aus. Zwischen Böblingen und Sindelfingen leben auf dem Flugfeld rund 4000 Menschen, vorwiegend junge Familien. Doch in der Planung wurde von Anfang an nicht wirklich an Kinderbetreuung und eine Schule gedacht. Es dauerte Jahre, bis die erste Kita eröffnete. Erst am vergangenen Mittwoch war Grundsteinlegung für die seit Langem geforderte Grundschule. Viel zu spät.

Spät dran waren am ersten Schultag viele Kinder im Kreis Böblingen, die auf Bus oder Bahn angewiesen sind. Denn nicht nur im Klassenzimmer fehlt Personal, auch im öffentlichen Nahverkehr. Das Chaos bei den morgendlichen Schulbussen aus den Vorjahren scheint sich zwar gebessert zu haben – verschwunden ist es nicht. Und auf der Schiene war ebenfalls Sand im Getriebe: Eine Weichenstörung auf der Schönbuchbahn ließ den Nahverkehrszug ausgerechnet zu Beginn der ersten Schulwoche verspätet übers Gleis rollen. Ärgerlich.

Wenn am kommenden Mittwoch der Weltkindertag gefeiert wird, ist das hoffentlich nicht nur eine Randnotiz im Kalender, sondern ein Weckruf an die Gesellschaft und die Verantwortlichen in der Politik. Den Kindern gehört die Zukunft, eine gute Bildung ebnet den Weg dorthin.

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