Beim Hallenmeeting in Karlsruhe geben Verena Sailer und Ivet Lalova einen Vorgeschmack auf die EM.

Karlsruhe - Die Organisatoren in Karlsruhe hatten den Zweikampf zwischen Verena Sailer und Ivet Lalova zu einem der großen Duelle ihres Hallenmeetings auserkoren. Zwei Sprintköniginnen in einem Rennen. Sailer, Europameisterin von Barcelona 2010, gegen die Bulgarin Lalova, Europameisterin von Helsinki 2012. Eine Blondine gegen ein schwarzhaariges Energiebündel. Beste Voraussetzungen für einen Zickenkrieg auf der Laufbahn.

 

Und beide erfüllten die Erwartungen. Beim 60-Meter-Sprint in der Europahalle rennen die beiden im Fotofinish über die Ziellinie. Die Gewinnerin ist mit dem Auge nicht auszumachen. Wer erhält also die Blumen und lächelt als Siegerin in die Kameras? Sailer und Lalova umarmen sich und tauschen Küsschen aus, sie freuen sich gemeinsam. Nur Tausendstelsekunden trennen die beiden: 7,19 Sekunden lautet die Zeit für beide. Lalova erhält den Siegerstrauß. Rot-weiß-grüne Fahnen werden im Publikum geschwenkt.

„Verena ist eine Freundin“, sagt Lalova, „ich laufe nicht gegen sie, sondern um meine Bestzeit zu steigern.“ Es sprudelt nur so aus der langhaarigen Sprinterin heraus. Vier Wochen war sie im Trainingslager auf Teneriffa, die gebräunte Haut erzählt, warum die 28-Jährige im Süden auch an ihrer Schnelligkeit gefeilt hat. Genauso wie ihr Sonnentattoo um den Bauchnabel.

Lalova lief 2004 mit 20 Jahren schon 10,77 Sekunden über 100 Meter, die zehntschnellste Zeit, die je eine Frau gelaufen ist. Sie wurde Vierte bei Olympia in Athen. Doch ein Jahr später brach sie sich ein Bein, nachdem sie mit einer Athletin zusammengeprallt war. Erst 2007 kehrte sie  zurück. Im vergangenen Sommer entthronte sie dann mit der EM-Goldmedaille in Helsinki Verena Sailer.

Bambi für Sailer

Die 27-Jährige war einst von ihrem Trainer Valerij Bauer in Kempten in einer Schulturnhalle entdeckt und zur besten Europäerin geformt worden. Das Prädikat schnellste weiße Sprinterin („Schnelligkeit ist nicht eine Frage der Hautfarbe, sondern des Kopfes“) brachte ihr zahlreiche Auftritte auf dem Laufsteg neben der Bahn ein. Sailer erhielt einen Bambi, wurde hinter Magdalena Neuner und Maria Riesch Dritte bei der Sportlerwahl, landete auf den Titelseiten und in Harald Schmidts TV-Show. Die Sonnenseiten des Erfolgs. Aber 2011 folgte ein Seuchenjahr, Achillessehnenbeschwerden plagten und hinderten sie am WM-Start in Daegu. Im Team kehrte die Mannheimerin 2012 als Staffel-Europameisterin wieder ins Rampenlicht zurück.

Vor einer Woche startete Sailer mit einem Paukenschlag in 7,16 Sekunden über 60 Meter in die Saison, als sie die 100-Meter-Weltmeisterin Carmelita Jeter (USA) eindrucksvoll hinter sich ließ und damit weltweit auf Rang drei sprintete. „Mein Rennen heute war nicht wirklich gut“, haderte die Sportmanagement-Studentin mit ihrem Lauf in Karlsruhe. „Ich war mit meinem Start nicht zufrieden. Es hat dennoch Spaß gemacht.“ Wegen Lalova? „Wir verstehen uns gut“, sagte sie und nickt somit auch diese Frauenfreundschaft ab.

Bei der Hallen-EM im März in Göteborg wird allerdings jede für sich versuchen, auf Europas Sprintthron zu steigen. Eine Medaille oder mehr heißt für Sailer und Lalova das gemeinsame Ziel. Falls notwendig, wird auch dort die Elektronik beide trennen.

Während Lalova das große Ziel einer jeden Sprinterin, die Zehn vor dem Komma, schon erreicht hat, zeigt Sailer (Bestzeit: 11,05 Sekunden) noch Berührungsängste, darüber zu sprechen. „Für eine Zeit unter elf Sekunden muss viel stimmen: die Konkurrenz, die Bahn, das Wetter und der Wind – eine Zehnerzeit wäre Wahnsinn“, sagt sie und ergänzt: „Aber träumen ist ja nicht verboten.“ Erst sechs Deutsche haben dies bisher geschafft. Sailer wäre die erste Westdeutsche unter elf Sekunden.