Weil der Nachbar sein Schuppendach geputzt hat, ist im Garten der Hanselmanns Asbest gelandet. Erst jetzt ist das Grundstück geräumt worden – zunächst auf eigene Kosten. Die Eheleute beklagen ein Umweltdelikt und Behördenfehler.

Leinfelden-Echterdingen - Mondlandung im Leinfelden-Echterdinger Ortsteil Musberg: Sechs weiß vermummte Gestalten stapfen über die karge Erde, die Kleidund unter weißen Schutzanzügen verborgen, die Gesichter unter Atemmasken. Stumm harken und graben sie und laden den Aushub in einen Container. Das alles passiert an einem sonnigen Nachmittag im Garten der Hanselmanns. Sabine und Albrecht Hanselmann sitzen derweil am Esstisch vor einem randvollen Leitzordner. Er enthält die Geschichte, die zum Auftritt der maskierten Männer geführt hat. Sabine Hanselmann schnauft kurz. „Ich bin müde“, sagt sie. Dann erzählt sie.

 

Ihre Geschichte beginnt am 6. Juni 2017. Da steigt der Nachbar auf den Schuppen im Garten, den er gepachtet hat und der ans Hanselmannsche Grundstück grenzt, und strahlt das Dach mit Hochdruck ab. Welche Folgen das hat, stellen die Hanselmanns zwei Tage später fest, als der Boden trocken ist. Hof, Blumen und Gemüse sind mit einer Zementschlämme überzogen. Die Eheleute machen Bilder und rufen die Polizei.

Mehrere Proben sind „sehr stark kontaminiert“

Eine Probe bestätigt: Asbest, ausgespült aus den Eternitplatten auf dem Schuppen. Laut Gutachter sind acht von zwölf Proben „sehr stark kontaminiert“, keine einzige sei frei von krebserregenden Fasern. Für die unglückliche Putzete ist der Nachbar längst bestraft worden. Den Einsatz der Vermummten zahlen Hanselmanns dennoch erst einmal selbst. „Jeder hat gesagt, wir können nichts für Sie tun, aber tun müssen Sie etwas“, sagt Albrecht Hanselmann. Er rechnet mit Kosten von 20 000 Euro für die Räumung, samt Anwaltshonoraren und neuer Gartenausstattung sogar mit 40 000 Euro. Er betont: „Wir haben nichts falsch gemacht.“

Stattdessen sprechen er und seine Frau von Verfehlungen des Landratsamtes. „Wenn bei Ihrem Auto zwei Tropfen Öl rausgehen, haben Sie einen Riesenhackel am Hals“, der Asbestschlamm aber ruhte 15 Monate bei Wind und Wetter im Garten, obwohl im Bericht aus dem Gesundheitsamt steht: „Eine potenzielle gesundheitliche Gefährdung der Nutzer und unmittelbar angrenzender Nachbarn kann nicht ausgeschlossen werden.“ Die Passage „nicht ausgeschlossen“ ist unterstrichen. Beide Areale seien in ihrer Gesamtheit abzutragen, liest man dort.

Anwalt spricht von Formfehlern der Kreisbehörde

Später aber befreite das Landratsamt den Eigentümer von gegenüber nachträglich von einigen Auflagen. Dessen Gutachter war zu einem weitaus weniger drastischen Ergebnis gekommen. Die Hanselmanns sind damit nicht einverstanden, pochen darauf, dass dieses Gutachten als untauglich abgelehnt worden sei. Das haben sie schriftlich. „Das Ganze ist ein Umweltdelikt“, glaubt der 60-Jährige. Sein Anwalt spricht von „laienhaftem Agieren“ und bemängelt unter anderem den langatmigen Prozess und Formfehler der Kreisbehörde.

Warum monatelang Asbest mitten in Musberg offen rumlag, dazu gehen die Meinungen auseinander. Die Erste Landesbeamtin Marion Leuze-Mohr betont, Asbestfälle sehr ernst zu nehmen: „Wir haben uns in dem Fall nichts vorzuwerfen.“ Angesichts des Widerspruchsverfahrens, das der Eigentümer des Grundstücks, auf dem gekärchert worden war, angestrengt habe, sei der Zeitablauf nicht ungewöhnlich, heißt es aus Esslingen. Dessen Anwalt Frank Schwemmle spielt den Ball zurück, die Bearbeitung des Widerspruchs habe erhebliche Zeit in Anspruch genommen.

Landratsamt reagiert gereizt

Die Hanselmanns betonen ihrerseits, dass sie warten mussten, weil das Landratsamt auf dem abschüssigen Gelände eine Sanierungsreihenfolge festgelegt hatten. Und im Landratsamt wiederum reagiert man auf das alles etwas gereizt. „Beide Grundstückseigentümer wussten um die Problematik, einschließlich der Zeitkomponente, und haben trotzdem nicht zu einer zügigen Sanierung beigetragen. Insoweit haben die Grundstückseigentümer in weiten Teilen selbst die Konsequenzen aus ihrem Verhalten zu tragen“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Albrecht Hanselmann weist das empört von sich, „wir haben mehrfach Druck gemacht“.

Das Ehepaar behält sich Schritte gegen die Kreisbehörde vor. Auch will es vor Gericht ziehen, um vom Verursacher der ganzen Misere Geld zu bekommen. Dessen Frau wiederum schweigt und verweist ihrerseits auf eine Anzeige gegen die Hanselmanns. Wegen überzogener Forderungen.