Das neue Gesetz zum Leistungsschutzrecht ist in Kraft getreten – ohne Konsequenz. Auch weiterhin sind die meisten Medienangebote bei Google News zu finden. Nur wenige Verlage verzichten auf den Nachrichtenaggregator.

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

Berlin - Und was hat sich jetzt verändert?“ Das fragen jetzt viele ernüchtert auf der Internetplattform Twitter. Seit kurzem ist das neue Leistungsschutzrecht (LSR) in Kraft. Suchmaschinen und ähnliche Dienste im Internet dürfen nicht mehr ohne (kostenpflichtige) Einwilligung der Verlage Presseerzeugnisse mit kurzen Textauszügen – so genannten Snippets – darstellen und damit mit eingeblendeter Werbung Geld verdienen.

 

Doch am ersten Tag mit dem neuen Gesetz war längst keine blanke Google-News-Seite zu sehen. Trotz LSR erscheinen die Inhalte weiterhin – ohne dass Google dafür auch nur einen Cent an die Verlage bezahlt. Die Verlagshäuser wollten ursprünglich mit dem von ihnen geforderten Gesetz zum LSR erreichen, an den Einnahmen, die Google durch die Übernahme der Nachrichtenteaser erzielt, beteiligt zu werden. Google und Gegner des Gesetzes hatten wiederum darauf hingewiesen, dass die Überschriften und Anreiser frei zugänglich seien, wie die Titelseite einer Zeitung oder eines Magazins am Kiosk.

Google hat um Einwilligung gebeten

Der Grund dafür, dass jetzt alles beim Alten ist: Google hatte sich im Juni mit einer Bestätigungserklärung an die Verlage gewandt. Darin forderte der Internetkonzern die Verlage und Webpublisher dazu auf, einer Veröffentlichung zuzustimmen. Fast alle größeren Verlage unterzeichneten die Erklärung – unter Vorbehalten. Auch der SWMH-Konzern, zu dem die Stuttgarter Zeitung gehört, hat Google die Einwilligung erteilt, aber eine Zusatzerklärung zur „Vorläufigkeit der Gestattung und jederzeitigen Widerrufbarkeit“ abgegeben.

Nur wenige Verlage hatten hingegen öffentlich bekannt gegeben, ihre Zustimmung zu verweigern: die Inhalte aus dem Trierischer Volksfreund, der Lausitzer Rundschau und die Rhein-Zeitung sind beispielsweise künftig nicht mehr unter Google News gelistet. Große Konzerne wie Springer, die sich jahrelang explizit für das Leistungsschutzrecht ausgesprochen hatten, sind jetzt „eingeknickt“ – wie viele enttäuschte Twitter-User es dieser Tage formulieren. Springer hat auch zugestimmt, dass die Inhalte seiner Publikationen weiter veröffentlicht werden dürfen. Zu groß ist offenbar die Angst, dass potenzielle Leser den Weg zur eigenen Homepage sonst nicht mehr finden oder gar zum Konkurrenten geleitet würden. So sehen das auch Gruner und Jahr sowie der Burda-Verlag.

Somit kommt es vorerst lediglich zu einem größeren bürokratischen Aufwand. Das liegt auch daran, dass viele Inhalte des Gesetzes so unklar formuliert sind: Beispielsweise heißt es, Suchmaschinen dürften für maximal ein Jahr lang nur „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ von journalistischen Publikationen übernehmen. Doch was sind „kleinste Textausschnitte“? Netz-Journalisten wie Stefan Niggemeier haben zudem wiederholt kritisiert, dass die eigentlichen Urheber, also die Autoren, an den Einnahmen, die die Verlage durch das LSR erzielen können, überhaupt nicht beteiligt würden. Auch der Deutsche Journalisten Verband (DJV) hatte in diesem Punkt Kritik geübt.

Der Tenor ist negativ

Der Journalist Stephan Goldmann bezeichnete das LSR gestern auf dem im Netz beliebten Journalismus-Blog „Lousy Pennies“ als eine „lupenreine Erfolgsgeschichte der Verlage“. Das LSR sei eine „Duftmarke, die die Medienhäuser im Internet gesetzt haben“. Die Verlage hätten „bewiesen, dass die Politik nach ihrer Pfeife tanzt“. Es zeige aber auch, dass kleine Start-Ups im Netz am Ende immer noch nicht überleben könnten, weil sie keine Lobby hätten – wer bestehen bleibe, das seien die großen Verlagshäuser. Genau das kritisieren auch andere: Frank Westphal, der Betreiber der Internetseite „Rivva“ – eines Online-Dienstes, der die sozialen Netzwerke nach meist empfohlenen Artikeln und debattierten Themen durchsucht – hatte angekündigt, dass etwa 650 Lokalzeitungen, Magazine und ihre Blogs angesichts der aktuellen Rechtsunsicherheit nicht mehr in der Aggregation auftauchen würden. Der bürokratische Aufwand dafür sei zu hoch. Der Grund: Obwohl die meisten Blogger und Verlage wollen, dass ihre Angebote indexiert, gefunden und mit Snippets in Suchtechnologien angezeigt werden, ist es nicht damit getan, etwa eine Einverständniserklärung auf der eigenen Website zu erteilen. Von Suchmaschinen kann diese nämlich nicht ausgelesen werden. Anbieter können nicht manuell Tausende von Websites auf diese Hinweise durchsuchen. Dafür wären technische Lösungen notwendig, die bislang nicht entwickelt sind.

Somit ist der Tenor auf den Seiten der Medien, auf Twitter und in den Blogs: beim LSR gibt es fast nur Verlierer. Der Internetaktivist Sascha Lobo stellte fest, die Auseinandersetzungen hätten vor allem eines gezeigt: publizistische Organe aus der alten Welt seien gegen ebensolche aus der neuen angetreten, auf der Strecke blieben am Ende die Nutzer und die Urheber selbst.