Ein Lagerarbeiter fasst einer Frau von hinten an die Brüste. Er wird wegen sexueller Nötigung verurteilt und verliert nach 26 Jahren seinen Job.

Leonberg - Den 5. Mai 2016 wird eine Lastwagenfahrerin aus Renningen in ihrem Leben nicht so schnell vergessen. Wie schon ein paar Mal zuvor kam die Lkw-Fahrerin einer Spedition auch an diesem Abend nach ihrer Tour zur DHL Filiale in Renningen, um dort Paletten abzugeben. Sie dachte an nichts Böses, als sie den 62-jährigen Lagerarbeiter dort erblickte, den sie vom Sehen her gut kannte und als nett empfand.

 

Das Opfer bricht in Tränen aus

Umso erschrockener war sie, als dieser ihr auf einmal von hinten an die Brüste fasste, als sie sich die Abgabe der Paletten quittieren lassen wollte. „Ich sagte, ich will das nicht, ich bin verheiratet“, berichtet sie als Zeugin vor dem Amtsgericht Leonberg.

Der Angeklagte habe dann von ihr abgelassen. Anschließend sei sie auf die Ladefläche ihres Lastwagens geflohen, um dort Paletten zu stapeln, als er sie ein zweites Mal bedrängt habe. „Bist du noch niemals vergewaltigt worden?“, habe er gefragt. „Hier hört und sieht dich niemand, wenn du vergewaltigt wirst“, habe er dann noch ergänzt. Der 62-Jährige habe „ekelhaft nach Alkohol gerochen“ und versucht, sie zu küssen. Sie habe sich dann aus dem Griff des Lagerarbeiters gewunden und hinter einigen Paletten Schutz gesucht. Zu ihrem Glück sei kurz darauf ein anderer Lastwagenfahrer gekommen.

Die anfangs entschlossen wirkende 53-Jährige brach in Tränen aus, als sie auf Nachfrage von Richterin Sandra De Falco schilderte, was für Folgen der Vorfall bei ihr auslöste: „Mir ging es danach schrecklich“, erzählt sie. Sie habe die Tour nach Renningen nicht mehr fahren können und bei jedem Mann, dem sie allein begegnet sei, Panik gekriegt. „Ich dachte, ich bin jetzt Freiwild und jeder kann mich begrapschen“, berichtet sie weiter. Sie sei mehrfach bei einer psychologischen Fachberatungsstelle für Opfer von sexualisierter Gewalt gewesen und habe auch die Hilfe einer Trauma-Therapeutin in Anspruch nehmen müssen.

Kündigung nach 26 Jahren beim gleichen Arbeitgeber

Der 62-jährige Angeklagte, der mit seinen angegrauten Haaren und der Brille wie ein braver Beamter aussieht, verfolgt die Aussagen der Frau teilweise mit offenem Mund. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen sexueller Nötigung angeklagt. Er räumt den Vorwurf in großen Teilen ein, will die Frau aber sofort losgelassen haben, als sie das gefordert hatte. Er hat ihr auch wenige Tage nach der Tat über seinen Verteidiger einen Brief zukommen lassen, in dem er sich für die Tat entschuldigt. Genützt hat ihm das nichts: Von DHL erhielt er seine Kündigung, obwohl er dort 26 Jahre lang gearbeitet hatte, „ohne dass ich einer Fliege auch nur eine Klatsche gegeben habe“, wie er sich ausdrückte.

Sein Verteidiger weist darauf hin, dass die Situation des Angeklagten im Mai 2016 nicht rosig gewesen sei: „Er lebte von seiner Frau getrennt, weil diese ihn wegen seiner Alkoholexzesse verlassen wollte“, erklärt er. Er habe mehrere Entziehungskuren angefangen, sei jedoch immer wieder rückfällig geworden. In der Firma habe er offiziell Alkoholverbot gehabt, doch die Lkw-Fahrer hätten ihm „hintenrum immer wieder ein paar Flaschen Bier zugesteckt“. Der 62-Jährige leide bereits an einer           Leberzirrhose, habe nur noch eine Niere und müsse sich als nächstes einer Operation an der Gallenblase unterziehen. „Er ist ein menschliches Ersatzteillager und ein menschliches Wrack“, sagt der Anwalt in seinem Schlussplädoyer. Es sei eine einmalige Tat des bis dahin unbescholtenen 62-Jährigen gewesen. Er habe die Hoffnung gehabt, es könne mehr aus der „Beziehung“ zum Opfer werden.

Die Leonberger Amtsrichterin ließ sich von dieser Begründung nicht beeindrucken und verurteilte den nicht vorbestraften Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr. Zudem muss er 2000 Euro an die Lkw-Fahrerin als Wiedergutmachung bezahlen. Er habe die Tat vor Gericht verharmlosend dargestellt und die Folgen für das 53-jährige Opfer seien massiv gewesen.