Winterzeit ist Einbruchszeit. Deshalb kontrollieren die Beamten öfters die Zufahrt zur Autobahn, ein nicht ungefährliches Unterfangen. Nachts um zwei Uhr unterwegs mit der Polizeistreife. Der LKZ-Adventskalender, Türchen 2.

Leonberg - Für einen Wochenendtag sei die Nacht bislang ruhig. „Aber das kann sich jederzeit ändern“, sagt Heiko Roscher, bevor er am Computer den letzten Punkt in einem weiteren Vorkommnisbericht setzt. Der großgewachsene Mann mit Kurzhaarschnitt ist Polizeihauptkommissar auf dem Leonberger Polizeirevier. Als Dienstgruppenleiter verantwortet er die heutige Nachtschicht.

 

Die Uhr steht auf 2. Das mehrstöckige Gebäude ist nahezu leer. Nur ab und an hallen Stimmen durch die Korridore. Das Revier ist jetzt nur noch mit zehn Beamten besetzt. Insgesamt zählt die Dienststelle in Leonberg, rechnet man die Außenposten dazu, rund 100 Einsatzkräfte. Damit der Betrieb rund um die Uhr aufrechterhalten werden kann, gehen die Polizisten in fünf Schichten ihrer Arbeit nach.

Verwaltung schluckt viel Zeit

Vor dem Beamten liegen noch vier Stunden Arbeit. Als Dienstgruppenleiter ist er vor allem mit Verwaltungstätigkeiten beschäftigt. „30 Prozent meiner Zeit bin ich draußen, den Rest am Schreibtisch“, sagt Roscher, der Dienstpläne erstellt, Streifen einteilt und Posteingänge sichtet. Die polizeiliche Arbeit, wie sie im Fernsehen dargestellt werde, entspräche nicht dem Alltag. „Man fährt nicht von einem spektakulären Einsatz zum nächsten“, sagt der 39-Jährige. „Doch alle Einsätze ziehen Schreibarbeit nach sich.“

Derweil geht in der Wache ein Notfall ein. Eberhard Müller nimmt den Anruf entgegen. Ein betrunkener Mann randaliert in der Notaufnahme des Leonberger Krankenhauses. In Handumdrehen macht sich eine Streife mit zwei Beamten auf den Weg. Die Wache ist das Herzstück des Reviers. „Hier laufen sämtliche Notrufe ein und auch der Funk“, erklärt Roscher, den es nach dem Abitur auf die Polizeischule verschlagen hat.

Nach 15 Dienstjahren könnte er ein Buch schreiben, wenn nicht mehrere. „Hier gibt es nichts, was es nicht gibt“, sagt er. Das fange bei einem Gurtverstoß an, gehe mit einer Schlägerei weiter und ende bei Verkehrsunfällen mit Toten oder Bahn-Leichen. „Denn im Gegensatz zum Tagesdienst fährt die Streife jeden Tatort als erstes an“, erklärt er. Sofern die Beamten nicht zuständig seien, werde der Fall an den Ermittlungsdienst oder die Kriminalpolizei übergeben. Auch kommt es ihm zufolge nicht selten vor, dass Bürger mit zivilrechtlichen Anliegen das Revier aufsuchen, wie etwa ein Paar, das im Zuge der Scheidung um den Fernseher gestritten hat.

Richtig brenzlig sei es im Laufe seiner Karriere ein ums andere Mal gewesen. „Das gehört nun mal dazu“, sagt Roscher, der aber gleich anfügt: „Ein Schussgefecht war glücklicherweise nicht dabei.“ Lediglich bei Wildunfällen habe er seine Dienstwaffe eingesetzt, um die Tiere von ihren Leiden zu erlösen. Doch schon eine gewöhnliche Fahrzeugkontrolle kann schnell eskalieren. „Ich weiß nie, wer am Steuer sitzt“, sagt er.

In der Zwischenzeit sind die Beamten mit dem Randalierer aus der Notaufnahme eingetroffen. Der alkoholisierte Mann verbringt die restliche Nacht in einer der drei kameraüberwachten Zellen, in Amtsdeutsch auch Gewahrsamseinrichtungen genannt. Diese sind spartanisch eingerichtet, mehr als eine Matratze und eine Kloschüssel gibt es nicht. Roscher spricht von einem Freiheitsentzug, um die Allgemeinheit zu schützen. Denn bei dem Mann sei mit weiteren Ordnungsstörungen zu rechnen. Der richterliche Bereitschaftsdienst hatte dafür grünes Licht gegeben.

Zurück im Arbeitszimmer packt Roscher seine Sachen. Eine Kontrolle steht an. Er schnallt sich seine Koppel mit der Dienstwaffe um und zieht sich eine Schutzweste über. Dann geht es mit drei Beamten Richtung Ezach. Dort finden sie eine geeignete Stelle gegenüber der Einfahrt ins Wohngebiet. „Im Winterhalbjahr kommt es vermehrt zu Einbrüchen“, sagt Roscher. „Hier ist die Chance dafür groß, zumal man ganz schnell auf der Autobahn ist.“

Die Beamten halten vor allem Ausschau nach Kleintransportern. Doch weil das Verkehrsaufkommen niedrig ist, wird schon der Nächste angehalten. „Haben Sie etwas getrunken?“, möchte Roscher von dem Mann wissen. „Ein Pils vor einigen Stunden“, erwidert der Fahrer, der sich sodann einem Alkoholtest unterziehen muss. Eine Erklärung kann sich der Beamte sparen. „Ich musste schon mal vor drei Tagen pusten“, berichtet der Mann grinsend. Nachdem der schrille Piepton des Messgeräts abklingt, ist das Ergebnis da: 0,0 Milligramm pro Liter. Roscher wünscht eine gute Weiterfahrt. Rechtlich gesehen dürfe die Polizei jeden Autofahrer anhalten, auch wenn kein triftiger Grund vorliege, erklärt der Hauptkommissar.

Taxifahrer wird verwarnt

Plötzlich kommt ein Taxi mit überhöhter Geschwindigkeit angeschossen. „Das waren definitiv mehr als die erlaubten 50 Stundenkilometer“, sagt Roscher. Doch weil die Beamten keine Laserpistole dabei haben, bleibt es lediglich bei einer Ermahnung. Dem Mann droht trotzdem Ärger. Er war nicht angeschnallt und obendrein kann er sich weder ausweisen noch die Fahrzeugpapiere vorlegen. „Ich habe meinen Geldbeutel zu Hause vergessen“, sagt der Taxifahrer, der zum Stuttgarter Flughafen unterwegs ist. Polizeikommissar Wolfgang Steinbeck zeigt sich nachsichtig und lässt den Mann weiterfahren. Doch die Papiere muss er nachreichen und um eine Verwarnung kommt er nicht herum.

Die Beamten gehen wieder auf die Pirsch. Inzwischen ist es kurz vor 3 und eisig kalt. Der ein oder andere stülpt sich warme Handschuhe über. Bislang ist es eine ruhige Nacht. Aber das kann sich ganz schnell ändern.

Der LKZ-Adventskalender

Jede Stunde zählt
24 Türchen hat ein Adventskalender, denn so viele Tage sind es im Dezember bis Heiligabend. Doch ein jeder Tag hat auch 24 Stunden. Deshalb blicken wir in unserer diesjährigen Adventsserie täglich zu einer bestimmten Uhrzeit auf dafür typische oder ungewöhnliche Ereignisse. Wir sehen uns an Orten um, an denen man sich zur genannten Stunde eher seltener aufhält oder denen man zu der Zeit wenig Beachtung schenkt. Eine Zeitreise der anderen Art.