Die neue Motorradsaison hat mit tödlichen Unfällen begonnen. Was hilft, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen? Biker am Glemseck reden Klartext.

Leonberg - Der tödliche Unfall, bei dem vor eineinhalb Wochen ein 20-jähriger Motorradfahrer auf der B 295 zwischen Leonberg und Ditzingen ums Leben kam, ging an Giovanna Zestermann nicht spurlos dabei. „Um ehrlich zu sein, so etwas verdränge ich immer ganz schnell“, gesteht die Marbacherin. „Sonst kommt man ins Grübeln und will gar nicht mehr Motorrad fahren.“ Dass der junge Mann offenbar von einem abbiegenden Auto gerammt worden sei, bestätige ihr oberstes Gebot. „Man muss immer vorausschauend fahren und auch mit den Fehlern der anderen rechnen“, so die Bikerin, die seit sechs Jahren einen Suzuki-Bobber fährt.

 

Dass gerade junge Motorradfahrer wie der Verunglückte besonders gefährdet sind, glaubt sie nicht. „Meiner Meinung nach gehören vor allem die ,Gebückten’ mit ihren ,Joghurtbechern’ zu der Risikogruppe“, sagt die Marbacherin, die damit auf die Haltung der Sportbiker auf ihren vollverkleideten Rennmaschinen anspielt. Frauen seien ihr zufolge übrigens sicherheitsbewusster. „Aber davon gibt es nicht viele, die mit dem Motorrad unterwegs sind.“

„Das Gefühl für die Geschwindigkeit fehlt“

Für Gerald Breisch sind es vor allem die „Golden Ager“, also die Generation 50 plus, die ein Sicherheitsrisiko im Straßenverkehr darstellen. „Das sind Späteinsteiger, die vor 30 Jahren den Motorradführerschein gemacht haben und sich eine schnelle Maschine leisten können“, sagt der Biker aus Lenningen, der eine 77er Kawasaki besitzt. „Diese Leute gehen leider gleich in die Vollen, doch ihnen fehlt häufig das Gefühl für die Geschwindigkeit.“

Da er sich mit seinen 52 Jahren selbst zu dieser Gruppe zählt, lässt er beim Saisonauftakt lieber Vorsicht walten. „Nach der Winterpause steige ich langsam ein und mache kurze Ausfahrten in der Umgebung“, berichtet er. „Es geht darum, dass Fahrer und Motorrad wieder zu einer Einheit werden.“ Für mehr Sicherheit befürwortet er auch Airbag-Westen sowie die Einführung von einem Unterfahrschutz an Abprall-Planken, der das Durchrutschen der Biker nach einem Sturz verhindern soll. Laut Statistik, betont er, passierten die meisten Motorradunfälle durch Eigenverschulden.

Mehr Sicherheit durch ABS

Gerade vor diesem Hintergrund ist es Manuel Knödler zufolge enorm wichtig, dass Anfänger, Wiedereinsteiger und diejenigen, die ein halbes Jahr nicht mehr auf der Maschine saßen, an Fahrsicherheitstrainings teilnehmen. Der Mann aus Ostfildern verursachte mit seinem Kawasaki-Sportsbike selbst einen Unfall, weil er die Kurve unterschätzte. „Danach habe ich das Sicherheitstraining des ADAC absolviert und es hat mir geholfen, die eine oder andere brenzlige Situation zu überstehen.“ Übrigens: Ihm zufolge sollte bestenfalls der Staat die Kosten für den verpflichtenden Kurs tragen. Dass die enorme Leistungsfähigkeit der Motorräder von heute der alleinige Grund für Unfälle sei, das weist er zurück. „Mit ABS und vielen anderen technischen Vorkehrungen sind die Maschinen viel sicherer geworden“, befindet der 36-Jährige.

Auch Tom Berndt hält Sicherheitstrainings für sinnvoll. Doch alles, was darüber hinaus geht, empfindet er als eine Art „Entmündigung“. „Leuchtwesten beim Fahren? Es kann doch nicht sein, dass man gezwungen wird, für die Dummheit der anderen Sorge zu tragen“, sagt der Chopper-Fahrer aus Untertürkheim und betont: „Motorradfahren soll doch in erster Linie Spaß machen!“

Dass die beiden tödlich verunglückten Motorradfahrer auf der B 295 nicht die letzten in der aktuellen Saison sein werden, dessen sind sich die Biker sicher. „Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen und Erfahrung werden wir den Tod leider nicht von der Straße holen“, lautet das bittere Resümee von Gerald Breisch.